Mai 2013

Unser Aufenthalt in der Schweiz hatte etwas länger gedauert, als wir uns das gewünscht hatten. Darum kamen wir erst Mitte Mai, nach einer langen Tagesreise, endlich wieder in Cambrai an. Diesmal hatten wir, dank frühzeitiger Reservation, sogar ein Taxi, das für uns am Bahnhof bereitstand. Zuallererst mussten wir natürlich nach 'unserem' Entennachwuchs schauen. Siehe da, unter dem Rosmarin waren nur noch Eierschalenüberreste und Daunen zu finden. Am nächsten Abend sahen wir dann die Entenmutter mit fünf Kleinen, ganz kurz und etwas gar weit weg (daher das unscharfe Foto). Tags darauf waren es nur noch vier Küken und danach haben wir nie mehr etwas von ihnen gesehen. Welche Katastrophe daran schuld war, wissen wir nicht. Die Natur ist eben hart und ohne Erbarmen.

    

Nach zwei Tagen erfolglosem Bemühen, in denen der bis anhin absolut zuverlässige Motor nur noch hustete, aber nicht starten wollte, fürchteten wir schon, dass dieses Jahr wohl alles schief laufen wollte. Aber plötzlich, und nach einem Satz neuer Starterbatterien, überlegte er es sich anders, sprang etwas asthmatisch an und orgelte nach ein paar Minuten wieder in alter Frische. Juhee!

Damit konnte unsere Fahrt wieder anfangen: Au revoir Cambrai, Bonjour l'aventure!

Auf dem Weg nach Douai konnten wir der Versuchung nicht widerstehen, die Scarpe supérieure, die offiziell bis nach Arras schiffbar ist, zu befahren. Wir hatten zuvor zwar verschiedene Informationen über mangelnde Breite und knappe Tiefe gelesen, haben es nach intensivem Kartenstudium dann aber trotzdem gewagt (wobei unser Kartenmaterial dieser Gegend, mit Schweizer Augen betrachtet, eher bescheiden erscheint).
Aber wir haben es nicht bereut!

  

Die einzige unangenehme Erfahrung war die extreme Langsamkeit der Schleusen. Das Passieren jeder Stufe dauert bestimmt eine halbe Stunde. Zwar sind die Schleusen automatisiert, aber nachdem sie den Empfang des Funkbefehls quittiert haben, heisst es zunächst warten bis sie ausgelaufen sind, dann warten bis die Tore aufgehen, dann warten bis ....  und dann einfach warten.

Die Scarpe supérieure selber ist ein sehr schöner, kanalisierter Fluss, mit klarem Wasser, etwas verwachsen, aber mit ganz beachtlicher Strömung. Ob das den häufigen Regenfällen dieses verregneten Frühlings anzurechnen oder immer so ist, können wir nicht sagen. Auf dem ganzen Weg, den wir in zwei Tagesabschnitte aufgeteilt hatten (Schleusentechnisch bedingt) haben wir kein einziges anderes Schiff gesehen. Dabei ist der Zustand dieses Wasserwegs um einiges besser als die meisten anderen, die wir bislang befahren hatten.

     

Darüberhinaus wurden wir durch einige Stunden Sonnenschein (!), unzählige üppig blühende Weissdornsträucher, pausenlos rufende und zwitschernde Singvögel, sowie verschiedenste Wasservögel, die mit zahlreichen Jungen nach Futter suchten, belohnt. Besonders gefallen haben uns die munzigen Zwergtaucher.
So hatten wir uns eigentlich den Frühling vorgestellt!

Am nächsten Tag fuhren wir weiter, drückten dann vor der zweiten Schleuse, wie gewohnt, auf der Fernsteuerung den Knopf zum Hochschleusen, aber ohne jeden Erfolg. Mehrere Male wiederholten wir den Versuch, bis auch uns klar war: hier geht nichts. Also Nase in die Ecke parkieren und versuchen, jemanden zu finden, der für den Betrieb verantwortlich ist. Da die VNF aber in diesem Abschnitt die Verantwortung an eine private Organisation abgegeben hat, war das eine eher schwierige Sache. Nach dem dritten Telefonat hiess es dann, es würde gleich jemand kommen.

Und wieder warteten wir.... und warteten.... und ....

  

Das war aber erst der erste Streich, die nächste Schleuse tat auch wieder keinen Mucks. Am Schluss waren wir sehr lange unterwegs für 16km und drei Schleusen!

Zweieinhalb Kilometer vor Arras war in St.Laurent Blangy dann endgültig Schluss. Kanal gesperrt. Wir konnten an einem englischen Luxmotor anlegen, der dort überwintert hatte. Hier haben wir auch vernommen, dass wir offenbar in diesem Jahr das erste Schiff waren, das den Kanal bis hierher befahren hatte.
Die Anlegestelle befand sich bei einem Kajak- und Kanuzentrum. Wassersport hat in Frankreich eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns. Jede Schulklasse geht regelmässig, das hatten wir bereits in Cambrai mit Verwunderung festgestellt, auch bei Regen und Schneetreiben, paddeln. Und das offensichtlich mit viel Freude und Einsatz. An diesem Tag war es, ausnahmsweise, strahlend schön und die Aufregung und das Gewusel dementsprechend hoch.

  

Arras ist eine historisch bedeutende Stadt, die in ihrer Geschichte nacheinander unter flämischer, spanischer und französischer Regierung gelebt hatte. Die unterschiedlichen Einflüsse finden sich bei verschiedenen architektonischen Eigenheiten wieder. Ganz speziell ist das 'Hôtel de Ville' mit dem schönen 'Beffroi', dem Glockenturm, der als Wachturm für den Feuerwächter der Stadt erbaut worden war. Ganz bequem kann man heute mit einem Lift 50m hinauffahren, dann noch 43 Treppenstufen hochsteigen und die Stadt liegt einem zu Füssen.

  

Von oben sieht man dann, dass, wie auch andernorts, eine schöne Fassade oft wichtiger ist als das dahinter.

Danach sind wir noch in den Untergrund gegangen, in die 'Boves', die ehemaligen unterirdischen Steinbrüche. Bereits im 19. Jahrhundert hatte man aber wegen der zahlreichen Gruben unter dem Zentrum der Stadt schlechte Erfahrungen gemacht und so wurden diese nur noch von den Marktfahrern als Lagerplatz verwendet. Im ersten Weltkrieg dienten sie den Engländern und Franzosen als geheimer Vorbereitungsplatz für die Schlacht von Arras und im zweiten dann als Schutzplatz für die geplagte Bevölkerung.
Heute hat sich leider ein Künstler darin breit gemacht, der als 'Kunstwerk' einen Garten 20m unter der Erde eingerichtet hat. Das Ganze ist so unmöglich wie es tönt. Die Pflanzen sind am abserbeln und der Kunstbanause fragt sich, was das soll.

Die wahren Schwierigkeiten dieses Kanals erlebten wir erst bei der Rückfahrt. Zunächst war der Platz zum Wenden der Mizar eher knapp. Sehr viel länger darf das Schiff hier wirklich nicht mehr sein. Etwas später hatten wir dann beim Stromabwärtsfahren noch ein paar Mal Herzklopfen vor den Schleusen, weil sich deren aufreizend langsame Arbeitsweise bei der stellenweise doch recht starken Strömung echt unangenehm auswirkte. Schob diese das Schiff doch erbarmungslos auf die Überlaufwehre und Schleusentore zu, während diese sich einfach nicht öffnen wollten.

Fazit: eine sehr schöne Fahrt auf einem sehr schönen Kanal, zu einer hübschen Stadt. Wirklich zu empfehlen.
Aber genug Zeit dafür einplanen!

Am Ende des Monats lagen wir in Douai, einer Hochburg der Berufsschiffer. Die 'garage à bateaux' ist ein richtiges kleines Dorf, in dem sich Péniche an Péniche reiht, die Leute von Schiff zu Schiff mit den Nachbarn, sozusagen über den Gartenzaun, diskutieren und die Gemeinschaft der 'bateliers' pflegen. Ein ungewohntes, aber schönes Bild.

  

Monat Mai '13:
- 22 h 15'
- 22 Schleusen
- 70 km

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