September 2014 

Am letzten Augusttag sind wir mit unserem kleinen Auto von der Schweiz weggefahren. Wir haben uns auf den langen Weg gemacht, quer durch die deutschen Lande. Richtung Holland, wo wir nach diesem kurzen Sommer unsere Mizar gelassen hatten, weil wir sie im Hafen von Nauerna mit einem besseren Innenausbau versehen wollen. Schon lange hatte für uns festgestanden, dass wir die in die Jahre gekommene Einrichtung des Schiffes unseren Bedürfnissen und Gewohnheiten anpassen wollten. Ebenso sollte die ganze Schale neu isoliert werden, um uns so allenfalls auch im Winter ein komfortables Leben zu ermöglichen. Dabei würden wir endlich auch die Möglichkeit bekommen, den Zustand des Schiffes an Stellen zu kontrollieren, zu denen wir bislang keinen Zugang hatten.

  

In Koblenz, wo die Mosel in den Rhein mündet, haben wir die Reise unterbrochen und uns ganz in der Nähe des Deutschen Ecks in einem Hotel gemütlich eingerichtet. Bei einem pfälzischen Nachtessen und einem Glas Rheinwein genossen wir die Aussicht auf das rege Schiffstreiben vor der geschichtsträchtigen Landzunge. Grosse Lastkähne strebten unaufhaltsam nord- oder südwärts, während hell beleuchtete Hotelschiffe, die alle fest in Schweizer Hand zu sein scheinen, gleich vor dem Hause festmachten. Gleichzeitig teilten sich Fähren und unzählige kleinere Privatboote die belebte Wasserstrasse.

     

In Nauerna verbrachten wir dann zunächst mal unsere letzte Nacht auf dem Schiff, weil wir für die Zeit des Umbaus in einer Ferienanlage ein kleines Häuschen gemietet hatten. Diese Anlage steht in erstaunlich vielfältiger Umgebung, mit freilaufenden Hirschen, Pferden und Hochlandrindern, Teichen und langen Wanderwegen.
Mit etwas gemischten Gefühlen zügelten wir also während der nächsten Tage unsere 'Reichtümer' in einen Nebenraum der Werkstatt von Barge-Refits, der kleinen Zwei-Mann-Firma von Tim und Stefan, die uns in den nächsten Monaten durch den Umbau führen werden.

Schon einen Tag später begann dann das grosse Ausräumen. Bereits nach kurzer Zeit war allen Beteiligten endgültig klar, dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Darum arbeiteten wir alle gemeinsam und zielgerichtet an einer gediegeneren Zukunft für unser Schiff. Im Arbeitseifer gerieten nach und nach unsere gelegentlich etwas bangen Gedanken in den Hintergrund und machten Platz für stetig wachsende Zuversicht und Vorfreude.

  

Das Innenleben unserer alten Stube offenbarte sich rasch als wirrer Haufen Rohre und Kabel, während unter einer Abdeckung sogar noch eine alte Tapete, die wohl aus der Zeit des ursprünglichsten Ausbaus stammte, an Tageslicht kam. Die arg ausgebleichten Hörnli (Nudeln) und die Hundekuchen, die an verschiedenen Stellen der alten Isolation offensichtlich gezielt eingelagert worden waren, gaben uns zunächst Rätsel auf. Diese offenbarten aber von selbst ihre Lösung, als wir auf eine mumifizierte Maus mit ihrem Nest stiessen. Und so bekam der Ausdruck 'Innenleben' ganz unvermittelt eine vollkommen natürliche Bedeutung.

Eine Besonderheit unseres Schiffes ist seit jeher der Boden des Wohnzimmers, der mit Marmorplatten aus dem Burgund belegt ist. Diese fast drei Zentimeter dicken Platten sind schön, im Sommer angenehm kühl, aber - sau schwer. Sie sind ja auch ein wesentlicher Teil unseres Ballastes (ein jedes umgebaute Frachtschiff braucht, weil es ja keine Fracht mehr transportiert, eine Menge Ballast, damit es trotzdem genügend tief im Wasser liegt und damit steuerbar bleibt). Und genau das erlebten wir jetzt, buchstäblich zum Anfassen, denn alle Platten mussten an Deck gebracht werden, weil wir ja den Schiffsboden in seiner ganzen Länge freilegen wollten.

Noch bevor wir die schwere Last ganz weggetragen hatten, offenbarte sich uns der zweite Teil unseres Ballastes: etwa acht Tonnen Eisen in Form alter Eisenbahnschienen, die, in rund drei Meter lange Stücke geschnitten, den ganzen Boden bedeckten. Zwar hatten wir davon schon vorher gehört, doch standen wir jetzt zum ersten Mal vor der ungeschminkten Tatsache. Bald wurde uns klar, dass wir die schweren Dinger mehrfach würden umschichten müssen, wollten wir die Bilge (Schiffsboden) fachgerecht konservieren. Wir würden das als sportliche Betätigung abbuchen.

     

Wenn wir am Abend, etwas müde von der Arbeit, zu unserem Häuschen zurückfuhren, mussten wir jeweils mit der Fähre den Nordseekanal überqueren. Die unvermeidliche Wartezeit füllte sich meist von alleine durch das Betrachten des dichten Verkehrs, der diesen Weg zwischen der Nordsee und Amsterdam benützt. Eindrücklicher und vielfältiger geht es wohl nicht mehr.

     

Nach knapp zwei Wochen war der Abbruch geschafft und wir bemerkten zum ersten Mal, dass unser Schiff doch ein bisschen grösser ist, als wir bisher gemeint hatten.
Wie wahr! Denn jetzt galt es, das Ganze zu putzen, von Rost, abblätternder Farbe, Dreck, altem Öl und Frachtresten (zumeist Sand, Teer und Kohlestaub) zu befreien.

  

Wir müssen zugeben, das war keine leichte Arbeit. Und sie hat Spuren hinterlassen! Am Abend waren wir jeweils todmüde und alle Knochen taten weh. Wie lernten wir da die komfortable Dusche in unserem Häuschen und unbeschränkt warmes Wasser schätzen.
Und wie freuten wir uns jeden Abend auf unser kühles Bier!
Und schlafen konnten wir, wie kleine Kinder!

Am Ende des Monats war das ganze Schiff vor dem Steuerhaus ausgeräumt und weitgehend sauber. Weil die ganze Arbeit darin bestanden hatte, altes hinauszuschaffen, sieht man jetzt fast nichts mehr davon. Die vier Mulden, die wir gefüllt hatten, sind abtransportiert worden und so wissen nur wir, was wir geleistet haben.
Doch wir sind zufrieden!

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