September 2013
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Die ersten Tage dieses Monats waren einigen technischen
Besonderheiten gewidmet. Wieder einmal hatten wir Glück, denn 'unsere' Wanne war gerade leer und wir konnten ohne Wartezeit einfahren. Schon bald setzte sich das Ganze in Bewegung. Unser Mittagessen, das eigentlich die übliche Wartezeit hätte überbrücken sollen, fand 'rollend' statt. Am Ende mussten wir uns gar noch beeilen. Die Fahrt brauchte deutlich weniger Zeit, als wir erwartet hatten. Danach legten wir im Oberwasser des Liftes an und besuchten die Ausstellung, welche die technischen Leistungen dieser Mammutanlage erläutert. Dazu gehörte natürlich auch die Aussichtsetage des Kontrollturms. Das Wetter war prächtig und so erspähten wir in alle Richtungen Sehenswürdigkeiten, die wir entweder schon besucht oder uns für die nächsten Tage aufgespart hatten. Am nächsten Morgen ging es weiter in den Canal du Centre. Zunächst in den 'neuen' Teil, der zum einzigartigen Schiffslift von Strépy-Thieu führt. Wir waren ja im März mit dem Auto hier gewesen und hatten uns seither darauf gefreut, mit der Mizar diesen 'Lift' zu passieren. Nach dem Einfahren in die obere Wanne (hier 112m x 12m) fuhren wir tatsächlich per Lift 70 vertikale Höhenmeter nach unten. Gegengewichte in der selben Gewichtsklasse fahren derweil nach oben, damit die Antriebsmotoren nicht allzu gross hatten dimensioniert werden müssen. Eindrücklich sind sie alleweil. Erstaunlich ist, dass dieses Ungetüm erst 2002 eingeweiht wurde, nachdem 1982 mit dem Bau begonnen worden war. Aber wie wir schon in anderem Zusammenhang erwähnt hatten, erlebte die Binnenschifffahrt ihren Höhepunkt in den 1980er Jahren. Den gewaltigen Rückgang, der kurz danach einsetzte, konnte sich damals kaum jemand vorstellen. Darum kamen selbst weitblickende und grosszügige Ausbauten oftmals zu spät.
Mit einer Spitzkehre unterhalb des neuen Lifts bogen wir in den Canal du
Centre historique ein und fuhren so den alten Kanal du Centre
zurück, der fast parallel zum neuen Teil verläuft. Mit dem gerade beschriebenen Schiffslift
waren
vier alte Hebevorrichtungen ersetzt worden, welche heute zwar noch technische
Leckerbissen darstellen, in den 70er Jahren aber den Bedürfnissen der Schifffahrt
nicht mehr genügt hatten.
Wir übernachteten bei der Cantine des Italiens, einem alten Quartier
für italienische Tagelöhner, welche in der 'guten alten Zeit' hier im Bergbau
ihr hartes Geld verdient hatten. Charleroi wurde uns immer als Ort beschrieben, den man so schnell wie möglich durchfahren sollte. Vom Anhalten wurde allseits abgeraten. Sehr schnell wurde uns klar, worauf diese Ratschläge fussten. Wirklich gespenstisch, diese verlassenen, kaputten und verrosteten Industrieanlagen. Die perfekte Kulisse für einen apokalyptischen Actionfilm. Aber der Weg die Sambre hinauf, in Richtung Frankreich, führte wieder durch Landschaft pur. Der Kontrast könnte kaum grösser sein.
Einfahrt in Thuin. Dieses Städtchen hat eine lange und prägende
Geschichte in der Binnenschifffahrt erfahren. Vor hundert Jahren waren von den etwa 5000 Einwohnern
über 1100 Familien Schiffer! Das Städtchen hatte drei Werften,
welche zahlreiche Schiffe bauten. Leider ist auch dieses Gewerbe mit dem Niedergang der Binnenschifffahrt
verschwunden. In Erquelinnes, unserem Wendepunkt vor der französischen Grenze(der französische Teil des Kanals ist seit sechs Jahren gesperrt), kam uns ein gar spezielles Gefährt entgegen. Beim Besuch des Städtchens erfuhren wir, dass gerade das 'Hopfenfest' gefeiert wurde. Dabei trafen wir auch einmal auf eine (eher bescheidene) Variante, der im Norden Frankreichs und in Belgien üblichen Riesen. Fast jede Ortschaft verehrt ihre eigenen Riesen, die bei allen Festivitäten durch die Strassen getragen werden. Sie alle haben Namen, eigene Charaktere und manchmal sogar (wie in Douai) ein eigenes Haus, in dem sie wohnen.
Ein anderer sehr spezieller Brauch sind die orangenwerfenden 'Gilles de
Binche'. Vergleichbar mit unseren Appenzeller Silversterchläusen oder den
wilden Gesellen der Lötschentaler Tchäggättä, haben sie strenge Regeln, was
Kleidung, Bewegung und Gesang (mit völlig schräger Trompetenbegleitung)
angeht. Lokale Braukunst musste ebenfalls probiert werden... Auf der Rückfahrt fanden wir in Thuin noch ein paar der Pénichen, die hier gebaut worden waren. Alle tragen sie, als Erkennungszeichen, stolz zwei Lilien am Bug. In der Abbaye d'Aulne mussten wir erneut die lokale Braukunst kosten, schliesslich hatten während Jahrhunderten die Mönche der riesigen Abtei in diesem Handwerk höchste Ziele erreicht. Diese Mühen müssen doch gewürdigt werden.
Bei der Ausfahrt aus dieser Schleuse passierte es dann ... Es half nichts. Hansruedi musste auf das Ruder klettern und versuchen mit Bootshaken, Cutter und viel Muskelkraft das äusserst robuste und schwere Ding wegzuschneiden und abzuwickeln. Die mühsame Arbeit dauerte mehr als eine Stunde.
Hier der Übeltäter: eine Blache (jetzt in Einzelteilen), ca.
4x2m gross! Ohne weitere Probleme erreichten wir am nächsten Tag Namur und fuhren an der imposanten Zitadelle vorbei durch die Stadt, um dann an einem Quai in der Meuse (Maas) anzulegen.
Am nächsten Tag besuchten wir die Zitadelle, jahrhundertealter Zeuge des
Kriegshandwerks, dessen plötzlicher Niedergang wohl niemand wirklich
bedauern würde.
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