Mai 2014
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Unsere Wegfahrt von Liège erfolgte, wie angekündigt, am 2. Mai. Dazu
begleitete uns
schönstes Frühlingswetter. Unser vorgesehenes Jahresprogramm bedingte, dass die Reise während der ersten Tage über die selbe Strecke
erfolgte, wie unsere Anreise zum Winterliegeplatz im letzten Herbst. Natürlich in der
umgekehrten Richtung. Erstaunlich dabei war, wie vieles durch die
Fahrtrichtung geprägt wird. So entdeckten wir zahllose neue Details und
machten überraschende Erfahrungen. Von dieser Seite gesehen, beeindruckte uns die Abtei von Floreffe (1121), hoch über der Sambre gelegen, ganz besonders. Bei der Durchfahrt durch Charleroi verdüsterte nicht nur das Wetter, das sich dafür extra kalt und grau gemacht hatte, unsere Perspektive. Die triste Umgebung leistete einen ganz kraftvollen Beitrag dazu. Darum ist es nicht erstaunlich, dass einem dabei diverse Graffitis, die an anderen Orten eher unangenehm auffallen, plötzlich in die Augen stechen und Freude machen. Zwischen zwei Übernachtung in Marchienne-au-Pont fuhren wir mit dem wackeligen Bähnchen direkt ins Zentrum von Charleroi. Aber auch in der oberen Stadt, die sich zwar deutlich von der sehr heruntergekommenen Industriezone abhebt, wollte einfach keine echte Freude aufkommen. Offensichtlich hatten auch hier die Häuser einmal bessere Zeiten gesehen, aber Verfall und Schmutz, leere oder mit Brettern vernagelte Läden und geschlossene Restaurants prägten das Bild. Es brauchte darum nur einen leichten Regenschauer, uns auf dem kürzesten Weg wieder zurück aufs Schiff zu treiben. An jedem Tag, der stabil freundliches Wetter versprach, schleppten wir Schleifpapier, Pinsel und Farbkübel an Deck und nutzten die Gelegenheit für die wohl wichtigste Nebenbeschäftigung des Schifferlebens. Gemäss der Devise: 'Was sich bewegt an Bord, musst Du lieb haben, was sich nicht bewegt, das musst Du streichen!', erhielten so das Dach der Hauptkabine, jenes der Gästekabine, das Terrassengeländer und die Reling einen neuen Farbanstrich. Das nützt einerseits dem Schiff und verschafft uns ein gutes Gefühl. Die Porte de Garde mit dem sinnigen Namen 'Blanc-Pain', auf dem Weg zum Schiffslift von Strépy-Thieu, empfängt die Schiffe mit auffällig französisch angehauchter Architektur. Die Pforte schützt die tiefer liegenden Dörfer bei einem allfälligen Defekt vor den der riesigen Wassermassen und wird während der Nacht geschlossen. Unsere Anfahrt erfolgte bei trüber Witterung und sehr starkem Wind, was in uns, als an eher enge Fahrwasser gewöhnte Kanalschiffer, gleich das etwas ungewohnte Gefühl von weiter, aufgewühlter See erweckte. Gegen Abend, während wir gleich unterhalb des Lifts festmachten, klarte der Himmel rasch auf und eine weitere kalte Nacht zauberte als Entschädigung eine wunderschöne Stimmung über die doch etwas pompös anmutende technische Anlage. Ihre Erbauer hatten bestimmt einen weit intensiveren künftigen Schiffsverkehr vor Augen, als sie das Projekt entwarfen. Weil sich der Berufsverkehr eher in Grenzen hielt, hatten wir in den Schleusen meistens viel Platz. Entlang der grossen Wasserstrasse waren im Laufe der Zeit riesige Industriebetriebe entstanden, darunter zahlreiche Recyclinganlagen. Diese werden auch heute noch mit ganzen Schiffsladungen von Wohlstandsmüll beliefert und verarbeiten dann diesen 'neuen' Rohstoff in wertvolle Ausgangprodukte.
Links: ehemaliger vierrädriger Stolz, in Würfel gepresst Kurz darauf erreichten wir Tournai, eigentlich eine hübsche Stadt mit viel geschichtlichem Hintergrund und dementsprechend auch imposanten Bauten wie dem Beffroi (Belfried) und der Kathedrale Notre-Dame, welche zur Zeit umfassend restauriert wird. Zurückgehend auf ihre Anfänge im Jahre 1110 zählt sie zu den bedeutendsten Sakralbauten Europas und wurde von der UNESCO, zusammen mit dem Glockenturm, als Weltkulturerbe anerkannt. Allerdings sind auch hier die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen ganz besonders augenfällig. Extrem viele leer stehende Ladengeschäfte und mehr schlecht als recht unterhaltene Häuserzeilen stehen im Kontrast zu den gut gepflegten Plätzen und Baudenkmälern. Klar, mussten wir die 257 Stufen zum Beffroi hochsteigen und die Aussicht geniessen. Nun ja, es war kalt und der Wind pfiff nur so um die Ecken, aber lässig war es trotzdem!
Auf unserem Spaziergang kamen wir auch bei dem Pont des Trous vorbei,
einer mittelalterlichen Brücke, die zur Befestigung der Stadt gehörte. Bei
einem Angriff vom Fluss aus konnten Fallgitter in den Bögen
hinuntergelassen und so die Durchfahrt versperrt werden. Und manchmal ist der Name auch Programm...
Tags drauf war die Reihe an uns. Dicht gefolgt von der 80m langen und 9m breiten Escalda. Dann, kurz vor der Schleuse Herinnes, schauten wir etwas wehmütig in die Einfahrt des Canal de l'Espierres. Wäre schon lässig gewesen... Die letzten Tage des Monats verbrachten wir am selben Anlegeplatz in Kortrijk, den wir schon im letzten Herbst benutzt hatten. Hier erschien uns die Stadt voller Leben und Lebensfreude.
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