Dezember 2016
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Unser Entschluss, diesen Winter in Berlin zu
verbringen, der war wohl richtig. Denn so leben wir zur Zeit in einer
grossen Stadt mit über 3,5 Millionen Einwohnern. Das ist fast die Hälfte
der schweizerischen Bevölkerung. In unserer Heimat gibt es nichts
vergleichbares. Da ist selbst Zürich mit knapp 400'000 Einwohnern noch
beinahe Provinz. Und unsere beschauliche Hauptstadt Bern ausgesprochene
Folklore. Berlin verteilt sich auf seine verschiedenen Stadtbezirke
(Kieze) und hat damit nicht wirklich ein Zentrum. Das Ganze ist sehr
weitläufig, aber der öffentliche Verkehr ist bestens organisiert, sofern
man die verschiedenen Verkehrsmittel geschickt zu kombinieren weiss.
Damit es ja keiner vergesse, heisst am Hauptbahnhof ein riesiger Weihnachtsbaum die Reisenden willkommen. Bald ist Weihnachten. Das Geschäft soll krachen und die Leute wollen feiern. Konsum steht für Wohlstand und der wiederum steht für erfolgreiche Politik. Und deren Exponenten haben diesen Beweis dringend nötig. Sie wirken ohnehin arg verunsichert.
Dresden ist in ganz wichtigen Teilen neu aufgebaut worden, wobei der
grösste Teil der Arbeiten erst nach der Wende vorgenommen wurde. Ganz
offensichtlich war vorher weder die Lust noch das notwendige Geld
vorhanden gewesen. Fortschritt sah in jener Zeit anders aus und steht
heute zumeist als architektonischer Fremdkörper in der Landschaft. Durch Mittel aus dem
Solidaritätsbeitrag und solchen vom Bund und der EU wurden ganze
Stadtteile in der alten Form rekonstruiert und erfreuen heute den
Besucher beinahe in alter Pracht.
Genau vor einem Jahr hatten wir in Neuseeland weihnachtliche Gefühle
vermisst (siehe Dezember 2015). Ein bisschen hatte es weh getan damals.
Dieses Jahr erleben wir dagegen fast etwas zu viel des Guten. Es hat etwas für jeden Geschmack! Ein Tag reichte nicht aus, auch nur einen Überblick über alle Versuchungen zu bekommen. Und so wurde es Abend, ... ... dann Nacht ...
... und es gab immer wieder Neues zu sehen und zu probieren. Am zweiten Tag besuchten wir mit einem Rundgang die wiedererstandenen Sehenswürdigkeiten, wie das Residenzschloss und den Zwinger, die heute Heimat für das Landesmuseum sind und die Semperoper (oben, ganz rechts). Eine Fahrt mit dem Tram brachte uns auf die andere Seite der Elbe, wo - wen wundert's - ein weiterer Weihnachtsmarkt auf uns wartete. Daneben besuchten wir aber auch die alte Markthalle sowie das Museum für Erich Kästner. Wir kehrten danach zu Fuss in die alte Stadt zurück, wobei sich uns von der Brücke aus eine schöne Aussicht auf die Elbe und die 'Skyline' bot. Ein besonderes Erlebnis war der Besuch in der Frauenkirche, deren Wiederaufbau erst 2005 beendet worden war. Dass ein barockes Gebäude dieser Grösse in der heutigen Zeit überhaupt erstellt wird, stellt eine besondere Leistung dar, dies ganz besonders, wenn gleichzeitig noch so viele andere gewichtige Projekte auf ihren Wiederaufbau warten. Der Innenraum der Kirche ist riesig und es fällt schwer, ihn als Werk unserer Zeit zu erleben. Der Aufgang zum Turm erfolgt über eine spiralige Rampe, die immer wieder den Blick hinunter in der Kirchenraum ermöglicht. Als Turmfreaks hatten wir keine Wahl und mussten den Weg unter die Füsse nehmen. Die Aussicht hat uns einfach begeistert. Ein schönes Erlebnis, das ... ... durch den Blick über die Stadt würdig gekrönt wurde. Wir genossen die weihnächtliche Stimmung und das schöne Wetter auch am zweiten Tag, bevor ... ... wir am Abend des dritten uns von den vielen Lichtern verabschiedeten und unsere Heimreise per Bus antraten.
Ein paar Tage später verabredeten wir uns in Berlin mit Klaudia
und Ernst von der Espania. Wir hatten
sie im
letzten Juni in Oranienburg zum ersten Mal getroffen. Sie hatten
uns damals versprochen, als weitgereiste Bewohner der Stadt uns einige
besonders schöne Plätzchen in Berlin zu zeigen. Unser Weg führte
zunächst über den
Türkischen Markt am Maybachufer. Dort
werden zweimal in der Woche am Ufer des Landwehrkanals Produkte in der
Art angeboten, wie es die direkt angesprochenen Kunden mögen. Früchte
und Gemüse in Mengen, die ein gewöhnlicher Haushalt nicht zu essen
vermag. Frische Kräuter in Büscheln, aus denen ein normaler Supermarkt
mindesten zehn machen würde, Oliven in tausend Varianten und Ziegen-
sowie Schafskäse, wie er zu den Oliven passt. Und so vieles mehr! Darauf fuhren wir in die Wohnsiedlung der Pfarrei St. Bonifatius, eine wunderschöne Backsteinsiedlung an der Yorckstrasse, die mit ihren fast geschlossenen Innenhöfen eine ruhige und ausgleichende Oase mitten in der Stadt darstellt. Heute bestimmt eine bevorzugte Wohnlage und Glück hat, wer hier wohnen darf. Auch die angrenzenden Höfe ermöglichen äusserst attraktives Wohnen und wirkten zum Zeitpunkt unserer Visite wohl nur deshalb etwas leer, weil das Wetter nicht gerade zum Bummeln einlud. Nach einer Kaffeepause fuhren wir weiter zu den Hackeschen Höfen in Berlin Mitte. Am Anfang des letzten Jahrhunderts wurde diese Siedlung als Modellprojekt erbaut und damit eine gesunde Vermischung von Wohn- und Gewerbebauten angestrebt. Ein bewusstes Gegenstück zu den damals verbreiteten Mietskasernengebieten der Stadt. Zunächst nistete sich entsprechend der Idee der Erbauer eine bunte Mischung der verschiedensten Gewerbebetriebe in den Höfen ein. Die stürmische Entwicklung nach dem ersten Weltkrieg brachte einen Niedergang der fortschrittlichen Siedlung mit sich. Dieser Prozess ging während der DDR-Zeit ungebremst weiter. Erst nach der Wende erwachte die ursprüngliche Idee zu neuem Leben. Auch Dank Einflüssen der Hausbesetzerszene erfolgte die Restaurierung mit feinem Gespür und vereinigt heute anspruchsvolles Wohnen mit blühendem Geschäftsleben, vor allem Gastgewerbe und Kunsthandwerk. Zum Schutz der Wohnbevölkerung vor den nicht immer sehr rücksichtsvollen Besuchern, werden die Höfe während der Nacht für diese geschlossen.
Zum Andenken an die Verdienste der nicht immer legalen Hausbesetzer
wurden einige Räume im damaligen Zustand belassen. Immer, wenn das Wetter es als klüger erscheinen liess, für einmal keinen Ausflug zu machen, erinnerten wir uns bei einem Stück des Baumkuchens aus Dresden an die vielen Erlebnisse, die uns während unseres Aufenthaltes hier zugefallen waren. Irgendwo hatte Matz gelesen, dass im Rathaus Schöneberg einer der letzen noch funktionierenden Paternoster im Betrieb sei. Da solche Einrichtungen tatsächlich nicht mehr häufig anzutreffen sind, machten wir uns auf den Weg dorthin. Vor dem Rathaus wagte Matz ein Kräftemessen mir dem Berliner Bären. So ganz überzeugend war es allerdings nicht. Doch welche Enttäuschung: im Inneren des Hauses waren die beiden Aufzugsvorrichtungen offensichtlich für längere Zeit ausser Betrieb. Der Portier hatte Verständnis für unsere Not und vermutete, dass in einem anderen Regierungsgebäude schräg gegenüber möglicherweise noch eine solche Anlage zu finden sei. Sein Denken schien kongruent mit dem Duft und dem Mief im Bürokoloss und so wähnte er, dass die Einrichtung dort wohl die selbe sei. Sicher war er nicht. Seine Karriere hatte ihn wahrscheinlich noch nie über die Strasse geführt. Doch wir hatten dem guten Mann Unrecht getan. Der Paternoster im anderen Haus lief stetig und zuverlässig und nun war es an uns, unseren Mut auf die Probe zu stellen und auf den fahrenden Zug aufzuspringen.
Bolle reiste jüngst nach Pfingsten,
Wohl tausend Mal hat Mann dieses Lied, vielleicht nicht ganz genau dem
Original entsprechend, gesungen. Im Klassenlager an einem
feucht-fröhlichen Abend. Im Militär nach einem Marsch durch die lange
Nacht. Doch im Gegensatz zum Lied war hier überhaupt nicht alles aufgefressen, es gab
noch mehr wie eine Butterstolle. Viel mehr!
Doch auch Berlin hat seine Weihnachtsmärkte und wir,
offensichtlich wegen unserer Erlebnisse der letzten Jahre, einiges an
Nachholbedarf. Nicht allzu weit entfernt ist der Gendarmenmarkt, wo sich der Weihnachtsmarkt auf Cüpli-Niveau abspielt. Der einzige Markt, für den man Eintritt bezahlt. Ganz klar für die Besserverdienenden und die vielen Touristen. Trotzdem, für einige schöne Bilder und Erinnerungen hat es alleweil gereicht.
Genau in den Moment der Niederschrift dieses Berichtes platzte
die Meldung vom Angriff auf den Weihnachtsmarkt bei der Gedächtniskirche
in Berlin-Charlottenburg in unsere gute Stube.
Am Mittwoch vor Weihnachten trafen wir dann ganz kurzfristig Peti (siehe Juli 2016), der in väterlicher Fürsorge um seine La Vie, die ganz alleine den Winter in Oranienburg verbringt, sein Schiff besucht hatte. Auf seinem Heimweg in die Schweiz reichte zu einem langen Schwatz bei japanischem Essen und danach zu einem etwas verfrühten Bier in der Ankerklause. So ganz ohne Schiff geht es eben doch nicht.
Und dann gingen wir einen Tag später trotz allem noch einmal zum Weihnachtsmarkt.
Diesmal in der Kulturbrauerei an der Eberswalderstrasse. Vielleicht auch
ein Bisschen jetzt erst recht. Am Tag darauf trafen wir Bernadette und Heinz von der Dagens 2 (siehe Oktober 2016) vor dem Schloss Charlottenburg zu unserem endgültig letzten Weihnachtsmarkt. Wenigstens ganz sicher für dieses Jahr. Wir hatten bei unserem letzten Treffen vereinbart, dass wir uns im Winter mehr Zeit nehmen würden. Und diese Zeit schenkten wir uns jetzt zu Weihnachten. Das Wetter war regnerisch und die Marktbesucher nicht so zahlreich. So verzogen wir uns für das Essen in ein geheiztes Restaurant.
Und dann, ganz plötzlich und völlig unerwartet war es doch noch da, das
richtige Weihnachtsgefühl! Friede den Menschen auf Erden die guten Willens sind!
Wir kauften dem aus Sibirien stammenden Strassenmusikanten eine CD mit
seinen Einspielungen ab. Die Klänge sollten uns später bei unserer kleinen
persönlichen Feier begleiten.
Bitte höre seine Musik unter
diesem Link und urteile selber. Mit diesen weihnächtlichen Gefühlen wünschen wir allen unseren Freunden und auch den gelegentlichen Lesern unserer Website von Herzen frohe Festtage und ein ganz tolles 2017 ! Wir freuen uns, im nächsten Jahr wieder von Euch zu hören.
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