April 2020
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Wir hatten uns darauf gefreut, ab diesem Monat wieder von unserem Leben auf der Mizar berichten zu können. Allerdings hatten wir nicht damit gerechnet, wie sehr die Diskussion um das allgegenwärtige Corona-Virus das Leben auf der ganzen Welt beeinflussen würde. Unser Leben gestaltete sich zwar immer noch recht komfortabel und es fiel uns darum auch nicht schwer, den Vorschriften der Behörden gerecht zu werden. Unser Schiff lag auf der Aussenseite eines Viererpacks, also so weit vom Land weg wie möglich. Da die drei Schiffe neben uns nicht bewohnt waren, bildeten sie eine Barriere gegen das Land hin, die nur jemand überklettern würde, der offensichtlich verrückt war oder aber andere, dringende Bedürfnisse hatte. So blieben wir für lange Zeit die Einzigen, die sich auf den eher sportlichen Hindernislauf machten. Meist, wenn der Kühlschrank bedenklich leer war und wir darum für Nachschub sorgen mussten. Im ganzen Hafengebiet gab es kaum eine Handvoll Schiffe, auf denen Leute lebten und so ergab sich für uns die behördlich geforderte Isolation von alleine.
Weil das Wetter sehr sonnig und entsprechend warm war, konnten wir häufig gemütlich auf unserer Terrasse essen. 'Restez chez vous!' Dabei achteten wir sorgsam darauf, dem verordneten Bewegungsmangel zu begegnen und richteten unser Essen entsprechend aus. Leichte Kost war angesagt. Der Frühling bescherte uns aber auch viel frisches Gemüse, mit dem wir bunte, gesunde Platten auf den Tisch brachten. Auch Freude ist der Gesundheit förderlich.
Wie jedes Jahr, liessen wir es uns auch auf diese Ostern hin nicht nehmen, ein paar Eier bunt zu färben. Der alte Brauch erlaubt uns jeweils, schöne Kindheitserinnerungen neu aufzufrischen. Markante Geschichten aus jenen Tagen schaffen es dann immer wieder aufs Tapet.
Obschon die Farben dieses Jahr etwas blass geraten waren, konnten wir
doch ein ansprechendes Oster-Nestchen einrichten. Nur das Verstecken
gestaltete sich auf
dem verbliebenen Raum etwas schwieriger. Das freundliche Hasenpärchen
war ein Geschenk unseres Freundes Aschi in Murten,
das er uns letzten Monat anlässlich unseres Besuches bei ihm zu
Hause überreicht hatte.
Aschi war im Oktober 2016 (siehe dort) ein paar Tage mit uns auf unserer
Mizar unterwegs. Offenbar ist ihm diese Reise in ebenso guter Erinnerung
geblieben wie uns.
Beim Aufenthalt auf der Terrasse haben wir bemerkt, dass wir unseren Blumenkisten etwas mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Ihr langes, Wind, Sonne und Regen ausgesetztes Leben, hat ihnen schwer zugesetzt. Darum musste jetzt Ersatz her.
Dank dem Internethandel liessen sich die neuen Kübel beschaffen, ohne die geltenden Vorschriften zu verletzen. Allerdings dauerte das jetzt deutlich länger und wir wurden mehrfach vertröstet. Selber einkaufen war ja nur erlaubt, wenn lebensnotwendige Dinge beschafft werden mussten. Natürlich haben wir bei dieser Gelegenheit den Standplatz der alten Tröge vorsorglich mit einer neuen Farbschicht eingedeckt.
Wolken kamen meistens nur gegen Abend. Wahrscheinlich aus dem
einzigen Grund, diesen etwas stimmungsvoller zu gestalten.
Meistens mit Erfolg!
Im verordneten 'Homeoffice' konnten wir, auch Dank
unseres guten Internetzugangs, in Ruhe die weltweiten Diskussionen zum
Umgang mit der Corona-Pandemie verfolgen. Fast noch spannender
als der beinahe überall verfügte 'Lockdown' waren die
verschiedensten Ansichten zu dessen rechtzeitiger Anpassung oder gar
Aufhebung. Die wirtschaftlichen Konsequenzen wurden immer deutlicher
sichtbar und erwiesen sich als weit schwerwiegender als von den Experten
vorausgesehen. Die noch sehr beschränkten Kenntnisse der Wissenschaftler
über die wahre Natur des neuen
Krankheitserregers liessen umso mehr Phantasien und Spekulationen, sowie
politisches und religiöses Wunschdenken ins Kraut schiessen. Experten
und Politiker taten wohl ihr Bestes, den unerwarteten Anforderungen
gerecht zu werden. Sie mussten sofort entscheiden, ohne wirklich viel zu
wissen. Personen, die keine direkte
Verfügungskompetenz hatten, meinten dagegen genau zu wissen, was zu tun wäre.
Epidemiologen und Virologen, die bisher in ihren Studierstuben
knochentrockene Tabellen bearbeitet hatten, mutierten zu Popstars,
schrieben fleissig Zeitungsartikel und traten in Fernseh-Shows auf. Aber auch
sie konnten die Zukunft nicht vorhersehen. Vor allem, weil man ja gerade
erst begonnen hatte, die grundlegenden Eigenschaften des neuen Virus zu
erforschen. In jedem Land wurden Neuinfektionen verschieden geprüft und die Kranken verschieden gezählt.
Damit war auch auf die scheinbar exakten Zahlen kein Verlass. Als der Weisheit
letzter Schluss war fast weltweit entschieden worden, vorsichtshalber das ganze
Wirtschaftssystem stillzulegen. Sicher ist sicher. Doch das Leben an
sich ist
nicht sicher und bleibt gefährlich. Den vom Lockdown Betroffenen wurden
kurzfristig, in bisher undenkbarer Grosszügigkeit, Entschädigungen
zugesprochen. Die dazu
notwendigen Finanzmittel erreichten innert weniger Tage Grössenordnungen, die der
Normalbürger nicht einmal auszusprechen vermag. Die Nachbeben dieser
Finanzverschiebungen werden aber in der Weltwirtschaft noch während Jahren zu
spüren sein.
Fast unabhängig von allen Massnahmen suchte sich der Virus seinen
eigenen Weg durch die verschiedensten Gesellschaften der Welt. Dabei war
er immer wieder für Überraschungen gut und machte Prognosen am laufenden
Band zu Makulatur. Es hat uns offensichtlich unvorbereitet getroffen.
Obschon es zBsp in der Schweiz schon seit Jahren einen ausgeklügelten
behördlichen Pandemieplan gab, fehlten Schutzbekeidung
für Pflegepersonal, Schutzmasken und Desinfektionsmittel in grossem
Massstab. Offenbar waren geforderte Vorkehrungen, die eigentlich einfach zu
erfüllen gewesen wären, nicht befolgt worden. Es hatte also
niemand die Pläne wirklich ernst genommen.
In unserer relativen Sicherheit
konnten wir den Ereignissen zuschauen. Dabei wurden wir
ungewollt Zeugen bisher fast unvorstellbarer Entwicklungen
und Reaktionen. Sorgen machten wir uns allerdings über die
Rechnung, die uns allen dereinst mit Sicherheit präsentiert werden wird. Manch
einer dürfte wohl erst dann, dafür aber gründlich, erschrecken.
Alles in allem: eine etwas ungeheuerliche Reise durch eine neue, unbekannte Welt,
wie sie bisher nur in Katastrophenromanen beschrieben worden ist.
Allerdings nicht wirklich die Reise, die wir uns vorgestellt
hatten.
So galt auch für uns:
Restez chez vous!
(Wenigstens zumindest bis zum 11. Mai, denn so lange gelten in Frankreich
die aktuellen, strikten Ausgehvorschriften.)