August 2021

Zwei Tage vor dem 1. August haben wir den kleinen Mietwagen zurückgegeben, mit dem wir im letzten Monat den oberen Teil des Moseltals in Deutschland besucht hatten (siehe Juli 2021). Wegen der heftigen Hochwasser, welche diese Gegend heimgesucht hatten, erschien es angebracht, diesen Teil unserer Reise mit dem Auto zu machen.
Doch danach haben wir uns mit unserer Mizar wieder auf den 'Fluss' gemacht. Von Thionville ging es weiter die französische Mosel hinunter. Die Landschaft war uns von unserem Ausflug mit dem Auto bereits bekannt. Daher war es eine gemütliche Fahrt bei schönen Wetter. Der Fluss war nach den heftigen Unwettern der vergangenen Wochen weit, aber ruhig. Die Aussicht auf seine Ufer gestaltete unsere Reise trotzdem sehr wechselhaft. Das AKW von Cattenom (4 Reaktoren, Inbetriebnahme 1986, ca 34'000 GWh/J) erinnert an die Entschlossenheit von Frankreich, entgegen des momentan vorherrschenden Zeitgeistes, an der Kernenergie fest zu halten. Das Städtchen Sierck-les-Bains, als letzter Ort vor der Grenze zu Deutschland, wird von einer wuchtigen Schlossruine überragt, die über dem Ort Wache hält. Während des 30-jährigen Krieges war das Schloss von den französischen Truppen belagert und eingenommen worden und wurde dann im Frieden von Vincennes vertraglich endgültig Frankreich zugeschlagen.

     

Wie man es von der Mosel erwartet, liegen riesige Rebbaugebiete beidseits des Tales. Die Römer, die um die Zeitenwende dem Lauf der Mosel gefolgt waren, mochten offensichtlich das alemannische Bier nicht und pflanzten fleissig Reben. Damit hatten sie der Gegend Wohlstand und Lebensfreude für die folgenden Jahrhunderte gebracht. Der Lebensfreude der Eroberer dienten gewiss auch die verschiedenen Thermen und Amphitheater, die man noch heute besichtigen kann. Es muss ihnen gefallen haben hier, denn sie richteten sich zum bleiben ein und bauten deshalb ihre Villen mit Bodenheizung. Das muss für die einheimischen Jäger und Sammler eine nachhaltige Lektion in mediterraner Lebenskultur gewesen sein.

Gleich hinter der Schleuse von Schengen treffen sich die Grenzen von Frankreich, Deutschland (rechtes Ufer) und Luxemburg (linkes Ufer) im hiesigen Dreiländereck.

Den Landesteg von Schengen, dem ersten luxemburgischen Dorf an der Mosel, belegten wir mit ganz besonderer Freude. Im vergangenen Monat (siehe dort) hatten wir ihn ja bloss mit dem Auto besucht. Wie wir damals schon berichtet hatten, war an diesem Steg 1985 der Vertrag von Schengen unterzeichnet worden (Vertrag zwischen den damaligen EU-Partnern betreffend den freien Personenverkehr). Ohne diesen Vertrag würde wohl kaum ein Mensch in der ganzen EU diesen kleinen Ort kennen. Obschon die Schweiz aus guten Gründen der EU nicht angehört und keine Schengenaussengrenze besitzt, wurde sie durch einen bilateralen Vertrag und zum allseitigen Nutzen in den Schengen-Raum eingebunden. Gerne markierten wir darum hier, zufälligerweise nur zwei Tage vor dem Schweizerischen Nationalfeiertag, die Schweizer Präsenz. Viele haben an diesem Tag und an diesem Ort weniger Flagge gezeigt als wir. Dafür hätten wir uns bestimmt eine Medaille vom Bundesrat verdient!

  

Auf der Weiterfahrt am nächsten Tag hätten wir gerne vom äusserst günstigen Dieselpreis in Luxemburg profitiert. Trotz Voranmeldung an der Schiffsbetankungsstelle im Yachthafen von Schwebsange, erwies sich der Schlauch der Anlage im konkreten Versuch als zu kurz. Unverrichteter Dinge setzten wir darum unsere Reise fort. Anderthalb Stunden später machten wir dann am Quai von Wormeldange fest.
Bereits beimAussteigen wurden wir auf eine Sonnenblume aufmerksam, die unter denkbar beengenden Verhältnissen unmittelbar vor unserem Wheelhouse ihre Blüten der Sonne entgegenstreckte. Der letztjährige Kern, der in ein Bohrloch in der eisernen Quaiabdeckung gefallen war, hatte sich nicht entmutigen lassen und die Gelegenheit genutzt, sich trotz der widrigen Umstände zur reichlich blühenden Pflanze zu entwickeln. Sein Lebenswille hat uns ausserordentlich beeindruckt und wir schenken darum dieser Pflanze den Ehrenplatz (Titelbild) unseres Monatsberichtes vom August.

Der Halt in Wormeldange war für Matz besonders wichtig. Wohl angestachelt durch den historisch eher rückwärts gerichteten Blick, den wir während der Reise mit dem Schiff immer wieder erleben, hatte sie sich schon lange mit den Ideen des Steampunk angefreundet. Mit einem zwinkernden Auge versuchen deren Anhänger, die neu erwachten Hoffnungen und Zukunftsideen, welche die aufstrebende Technik am Anfang des letzten Jahrhunderts in den Menschen geweckt hatte, durch lustvolle Fantasie neu zu beleben. Mit viel Eifer, fleissigem Nähen und Werken hatte sich Matz während der letzten Monate für ihr erstes Treffen mit Gleichgesinnten vorbereitet, das am folgenden Tag in Echternach stattfand. Kaum eine halbe Stunde Busfahrt entfernt! Diese Gelegenheit durfte nicht ungenutzt verstreichen.

  

Begeistert und voller neuer Ideen ist sie am Abend zurückgekehrt. Affaire à suivre!

Am nächsten Tag brachte uns eine kurze Fahrt auf der Mosel nach Grevenmacher, wo gerade Braderie gefeiert wurde. Schon oft hatten wir uns über die seltsam bekannt tönende und gleichwohl kaum verständliche Sprache der Luxemburger gewundert. Doch dieses Beispiel hat uns besonders gefallen.
Was zunächst unverständlich tönt, wird mit dem zweiten Bild klar. Es geht ums Entenfischen!

      

Und weil es Matz in Echternach gefallen hatte, fuhren wir am nächsten Tag mit dem Bus gleich nochmals dahin. Wir kamen in eine kleine, schmucke Stadt, deren tiefere Lagen noch vor zwei Wochen bis gut 1½m Höhe im Wasser gestanden hatten.

Die Rückfahrt mit dem Bus erfolgte auf einer Strecke, die eng dem Flüsschen Sauer folgte. Wie waren wir da beeindruckt, entlang des unscheinbaren Gewässers heftigste Zerstörungen zu beobachten. Dicke Bäume lagen, gleich zu dutzenden entwurzelt, kreuz und quer durcheinander. Zerstörte Wohnwagen, die arglos auf Campingplätzen gestanden hatten, waren überall zerstreut und hoch in den verbliebenen Baumkronen gab es haufenweise Trümmer und Schwemmgut, das dort hängen geblieben war. Bei der Gemeinde Wasserbillig (keine Ironie!) ergoss sich das Ganze in die Mosel und hat so seinen verheerenden Beitrag zu deren Hochwasser geleistet.

Während der Busfahrt war uns aufgefallen, dass in Luxemburg alle Strassen ausserordentlich gut ausgebaut und gepflegt waren, die Häuser schmuck und die Landschaft sauber. Gefragt haben wir uns auch, wie es kommt, dass in dem kleinen Land der Treibstoff derart viel billiger angeboten wird als in allen umliegenden und warum der ganze öffentliche Verkehr, inklusive der Eisenbahn, für alle Benutzer gratis sein kann. An Geld kann es diesem Staat nicht fehlen.

Bei der Weiterfahrt am nächsten Tag war es kaum zu glauben, dass die Mosel jetzt wieder so friedlich dahinfliessen konnte, als wäre nichts geschehen. Weinberge links und rechts, wie man sich das so vorstellt.

Kurz vor Konz fliesst von rechts die Saar in die Mosel und wir drehten gemäss unserem Reiseplan über Steuerbord in den längsten Nebenfluss der Mosel ein.

Die Saar ist erst seit 1999 von ihrem Zusammenfluss mit der Mosel bis Saarbrücken für die Grossschifffahrt ausgebaut. Vorher war das Saarland, das weitgehend vom Bergbau lebte und daher viel Kohle und Eisen zu transportieren hatte, nur für Freycinet-Schiffe über den Saarkanal mit dem Rhein-Marne-Kanal und damit mit dem europäischen Kanalnetz verbunden. Diese Verbindung zu den französischen Kanälen bestand allerdings seit 1870! Wegen seinem Rohstoffreichtum und der guten Verkehrsanbindung war das Saarland auch Zankapfel während der letzten drei Kriege.
Heute nehmen die Schleusen im unteren Teil der Saar Schiffe und Verbände bis zu einer Länge von rund 190 m auf. Sie schienen für unsere Begriffe fast neu, sind komfortabel und reichlich mit Schwimmpollern ausgerüstet. Sie funktionieren zügig und gleichwohl ausserordentlich sanft. Ironie des Schicksals ist, dass im Saarland die letzte Steinkohlenzeche am 30. Juni 2012 geschlossen wurde!

Von der alten Schule sind gelegentlich nur noch die Schleusenwärter, von denen einige selbst auf mehrfachen Anruf per Funk nicht reagieren und damit den Freizeitschiffer zwingen, unabhängig von der Verkehrslage, am Wartesteg anzulegen. Und dort warten sie dann, ohne jegliche Information, auf unbestimmte Zeit. Ordnung muss halt sein. Am Ende vom Steg hängt ein Telefon. Die Weisungen des Beamten kommen dann irgend einmal per Lautsprecher. Solches Verhalten hatten wir zuvor nur um Berlin herum beobachtet. Und nun hier in reinster Form bei der Schleuse der Staustufe Lisdorf.

Kurz vor der Einfahrt in die erste Saarschleuse Kanzem.

Unsere erste Station war Saarburg. Hier hatten wir einen etwas längeren Aufenthalt geplant und legten darum an einem langen Quai unterhalb der Stadt an, an dem auch die grossen Frachtschiffe sowie riesige Hotelschiffe festmachen. Erstens, blieben wir länger, weil es die kleine Stadt verdient und viel Sehenswertes zu bieten hat. Zweitens, weil Matz von hier aus ein zweites Treffen der Steampunk-Leute besuchen wollte, das, etwas weiter weg, im Schiffshebewerk Henrichenburg angesagt war. Bis zum letzten Moment blieb allerdings fraglich, ob und in welchem Umfang dieser Anlass wegen den Covid-Restriktionen überhaupt stattfinden konnte.

Die Stadt Saarburg, die weitgehend vom Saarweinhandel und vom Tourismus lebt, liegt am kleinen Fluss Leuk, der früher gemütlich um die Stadt herum geflossen war. Damit aber jederzeit ausreichend Löschwasser zur Verfügung stand und gleichzeitig mehrere Mühlen betrieben werden konnten, wurde der Leukbach im Mittelalter kurzerhand umgeleitet und fliesst nun mitten durch die Stadt. Seither stürzt das Wasser am alten Marktplatz über einen 18m hohen Wasserfall. Darum herum reihen sich, als ob es Corona nie gegeben hätte, in enger Ordnung Beiz an Beiz. Beim ersten Besuch fast etwas viel aufs Mal für Auge und Magen.

  

Weil Matz für ihren Besuch in Henrichenburg unbedingt auf ein Auto angewiesen war, hatten wir erneut ein solches für ein paar Tage gemietet. Am ersten Tag benützten wir allerdings für einen kurzen Ausflug zum Aussichtsturm Cloef. Nur gut 20 km bergwärts, über Saarburg hinauf, fliesst die Saar durch eine enge Talschleife und macht dabei einen Richtungswechsel von praktisch 180º. Weil diese Schleife nur aus der Höhe wirklich überschaubar ist, wurde nahebei ein Aussichtsturm mit einem Touristenpark aufgebaut, samt Baumwipfelpfad, Kinderspielplatz und Restaurant.

     

Die Aussicht vom Turm auf die grosse Saarschleife ist wirklich beeindruckend.

Ein Kreuzungsmanöver von zwei langen Verbänden oder Schiffen innerhalb der Grossen Saarschleife will wohl überlegt sein. Für Schiffe über 110m ist das Kreuzen vernünftigerweise verboten.

Schon am Tag darauf ist Matz dann nach Henrichenburg abgefahren. Weil zufälligerweise unweit davon Monika und Hans mit Chico mit ihrer Baba Jaga (siehe Oktober 2020 und März 2021) Rast machten, nutzten die drei die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Nachtessen in Münster. Chico war zwar auch dabei, wartete allerdings brav unter dem Tisch und ist darum nicht sichtbar. Dafür sieht man den Finger des Fotografen, der offensichtlich besser servierte als fotografierte. Natürlich reicht ein Abend allein nie, alle neuen Erlebnisse auszutauschen.

Und dann kam er doch: der grosse Moment mit dem Steampunk-Treffen im Schiffshebewerk von Henrichenburg!
Danach noch sicherer: affaire à suivre!

     

     

Kaum war Matz zurück in Saarburg, legten Monika und Martin mit ihrer Coeur de l'Écluse für einen Moment bei uns an. Aufmerksame Leser erinnern sich, dass die zwei uns im letzten Frühling (siehe Mai 2021) zu einer Hafenrundfahrt in Strassburg eingeladen hatten. Auch hier ermöglichte ein Nachtessen zu viert den gegenseitigen Austausch von seither Erlebtem.
Am nächsten Tag machten wir noch einen kurzen Abstecher mit der Seilbahn auf den Aussichtspunkt über der Stadt Saarburg, von dem dann ein instruktiver Fussweg zurück ins Tal erschöpfend Auskunft gibt über den Weinbau und seine Geschichte in der näheren Umgebung.

  

Daneben bietet der selbe Weg auch eine besonders schöne Aussicht auf die Stadt und die Burganlage.

  

Mit 250 Gramm Technik kann man das auch viel einfacher haben.

Auffällig während der Weiterfahrt war der riesige Steinbruch bei Taben-Rodt, wo eisenhaltiges metamorphes Gestein abgebaut und zu verschiedenen Baustoffen, wie Schotter und andere Betonbestandteile verarbeitet wird. Ein Wirtschaftszweig, der boomt und immer noch ausgiebig vom Materialtransport mit Schiffen Gebrauch macht. Ein feiner rötlicher Staub, der bei bestimmten Wetterlagen in der Luft schwebt, macht den Betrieb unübersehbar.

Unser nächster Halt war in Mettlach, wo wir an einer fast endlosen Mauer anlegten. Weil jede Art von Poller fehlt, musste ein massives Geländer die Leinen aufnehmen. Der untere Teil, der als komfortabler Quai ausgebaut ist, bleibt für die verschiedenen Hotel- und Ausflugsschiffe reserviert. Diese verkehren fleissig. Gleich daneben liegen die eindrücklichen Gebäude einer ehemaligen Benediktinerabtei, die seit dem Jahr 1801 den Hauptsitz der Keramikfirma Villeroy & Boch beherbergen. Weil die Gegend touristisch attraktiv ist und darum viele Besucher anzieht, eröffnete die Firma einen Outletstore zum direkten Verkauf ihrer Produkte an die täglich mehrfach wechselnde und spendierfreudige Gästeschar. Das haben andere Trendsetter ebenfalls entdeckt und so besteht die Stadt heute fast ausschliesslich aus Outletstores aller gängigen Markenhersteller, die hier ihre Produkte zu angeblich reduzierten Preisen verkaufen. Und natürlich einer Reihe von Eisdielen, die ebenso eifrig besucht werden.

Für Besucher ohne ausgeprägte Konsumbedürfnisse bietet die Stadt nicht wirklich viel und so haben wir schon am nächsten Tag die Leinen wieder los gemacht und sind Richtung Grosse Saarschleife weiter gefahren. Wir hatten ja ein paar Tage zuvor die erstaunliche Flusswindung vom Aussichtsturm Cloeuf (Bild mitte, linke Hälfte) her angeschaut und freuten uns nun darauf, selber zum Schauspieler zu werden. Von oben hatten die durchfahrenden Schiffe tatsächlich wie Spielzeuge ausgesehen, die sich wie von Geisterhand bewegten. Die Fahrt durch die Schleife ist dagegen recht unspektakulär. Lediglich vor der Einfahrt mussten wir die Durchfahrt eines 100m-Schiffes abwarten. Obschon ein Kreuzungsmanöver möglich gewesen wäre, waren wir nicht zu Experimenten aufgelegt.

     

Der nächste Halt erfolgte in Merzig, der übernächste in Dillingen. Von dort fuhren wir mit dem Velo nach Saarlouis. Obschon die Stadt recht gross ist, wohl ein Verdienst der naheliegenden Ford Werke, ist sie ohne wirklichen Charakter. Allein das zu erfahren, rechtfertigte den Besuch.

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter, bis wir vor der Schleuse Lisdorf, die wir in diesem Bericht schon am Anfang unserer Fahrt auf der Saar erwähnt haben, uns plötzlich im falschen Film wähnten. Der Schleusenwärter hatte wohl eine schwierige Nacht hinter sich und behandelte uns in ganz unmöglicher Weise. Dass er unserem zweimaligen Anruf keine Beachtung schenkte, das haben wir noch unter den kleinen Ungereimtheiten abgebucht. Nach der Einfahrt in die Schleuse liess er uns erneut eine geraume Weile warten, bis er überhaupt die Tore schloss. Dafür öffnete er danach alle Schieber miteinander. Als die daurch verursachten Turbulenzen keine grössere Beachtung fanden, schloss er die Schieber wieder, bis sie fast kein Wasser mehr durchliessen. Auf diese Weise stiegen wir cm um cm und die Schleusung mit einem Hub von gerade mal 3,8m dauerte damit über eine halbe Stunde. In dieser Gegend hatte wir bisher mit den Beamten nur gute Erfahrungen gemacht.
In Völklingen machten wir dann fest und blieben für zwei Tage. Die Gegend ist gezeichnet durch riesige Industriebauten. Alleine das Gebäude eines Walzwerks von Saarstahl folgte dem Saarufer über eine Länge von gegen 800m! Wo heute in Völklingen eine Brücke die Saar überspannt, musste man den Fluss zuvor mittels einer Fähre überqueren. Weil der Ruf 'Hol über!' heute den Leuten offenbar in den Ohren fehlt und sie den gemütlichen Schwatz während der Überfahrt vermissen, werden sie durch eine Statue des Fährmannes an die gute alte Zeit erinnert. Gleich gegenüber war unser Anlegeplatz.

Bereits bei der Anfahrt nach Völklingen waren wir an den monumentalen Überresten der ehemaligen Völklinger Hütte vorbeigekommen. Dieses Monument legt überaus beredtes Zeugnis einer vergangenen Industrieperiode ab, als letztes, vollständig erhaltenes Eisenwerk jener Epoche. Erst 1986 wurde hier die industrielle Gewinnung von Eisen eingestellt und bereits 1994 wurde es als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet. Ein Besuch musste also sein und wurde zu einem echten Erlebnis.

1881 hatte Carl Röchling in Völklingen ein zuvor stillgelegtes Eisenwerk gekauft und startete die Produktion von Roheisen im grossen Massstab mit neuem Elan. Er wurde schnell zum grössten Eisenträgerhersteller Deutschlands. Direkt neben den Hochöfen baute er eine Koksbatterie und verarbeitet darin die einheimische Steinkohle. In der Gebläsehalle wurde die heisse Luft produziert, welche in der Sinteranlage mithalf, das Erz aufzubereiten. Angetrieben wurden sie durch die Verbrennung von Gasen, die in den Hochöfen freigesetzt wurden. Zusammen mit dem eisenhaltigen Gestein wurde Koks und die auf die jeweiligen Bedürfnisse angepassten Zusatzstoffe in Transportgondeln abgefüllt. Mit einem gewaltigen Erzschrägaufzug wurden diese in die Höhe gefahren, wo die sechs Hochöfen beschickt wurden. Die riesigen Mengen Eisenerz, die zusätzlich aus Lothringen eingeführt wurden, beschleunigten den weiteren Ausbau der Kohlegruben im Saarland. Dazu mussten wiederum zahllose Arbeitskräfte aus weiter entfernten Gebieten angeworben werden. Aufbruchstimmung durch Industriealisierung.

     
Die Eisen- und Stahlproduktion erreichte durch ihren fortwährenden Ausbau eine Grössenordnung, welche nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die weit verbreiteten Kriegsfantasien und -gelüste beflügelte. Die zwei Weltkriege waren ausgeprägte Materialschlachten und als solche auf immer grösseren Nachschub angewiesen. Was am Anfang als Erfolg aussah, wuchs sich immer mehr zur Katastrophe aus. Mit verheerenden Folgen für die ganze Welt, insbesondere aber auch für die Region.
Viel Eisen brauchte man während des Krieges, jedoch noch mehr für den Wiederaufbau nach dem Krieg. Das Ende kam dann mit der weltweiten Stahlkrise um 1975, bedingt durch die Überproduktion in den verschiedensten Billiglohnländern.

Übrig geblieben ist heute ein kaum fassbares Gewirr von Röhren, Leitungen und Maschinen.

     

Hochofenbelegschaft der Völklinger Hütte um 1920.

Der Rundgang durch das Gelände, der locker zwei bis drei Stunden in Anspruch nimmt, zeigt auf bedrückende Weise die harten und gefährlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter zu jener Zeit. Noch härter waren wohl jene der rund 14'000 Zwangsarbeiter, Frauen und Männer, die während des 2. Weltkrieges allein in der Völklinger Hütte eingesetzt wurden. Auf unserem Rundgang stiegen wir nach und nach unzählige Treppen hinauf, bis sich vor uns auf einer Höhe von 45m ein eindrücklicher Ausblick über das ganze Betriebsgelände auftat.
Dankbar nahmen wir dabei zur Kenntnis, dass unser Leben heute unter wesentlich angenehmeren Bedingungen verläuft.
Einmal mehr erlaubte uns die Reise mit dem Schiff einen Blick zurück in der Zeit und förderte damit unser Verständnis für so manches, was uns bisher nur wenig bekannt war.

Nahe des Ausgangs stand - wohl eher humoristisch gemeint - das Carosseriechasis eines kleinen SMART (kein Eisen, nur Plastic) mit der Bemerkung, das sei das Ende der späteren Eisenzeit, die um  450 vChr in La Tène begann und nach der Meinung der Ausstellungsmacher, zumindest in Völklingen, bis 1986 dauerte!

  

Nur eine kurze Fahrt war es danach bis Saarbrücken, die Landeshauptstadt des Saarlandes, wo wir zwischen der Wilhelm-Heinrichbrücke (im Hintergrund) und der alten Brücke einen komfortablen Liegeplatz fanden, an dem, wie wir erst später bemerkten, uns fast jeden Abend ein Unterhaltungsprogramm frei Haus geliefert wurde.

Die Stadt wurde für ihre wirtschaftliche Bedeutung (Kohle, Stahl) vor allem während des zweiten Weltkrieges gewaltig abgestraft und zu 90% zerstört. Beim Einmarsch der US-Truppen lebten noch etwa 7'000 Personen da, wo vor dem Krieg 130'000 gelebt hatten! Umso grösser ist die Leistung zu bewerten, die beim Wiederaufbau erbracht worden ist.

Wir erlebten bei unserem Aufenthalt eine lebendige, etwas nüchterne, aber moderne Stadt. Wir waren auch froh, dass sich die Coronaeinschränkungen in engen Grenzen hielten und ein (fast) normales Leben ermöglichten.
Unser Bemühen, die Geschichte der Stadt zu verstehen und insbesondere jener, diese Geschichte kurz und verständlich zusammenzufassen, scheiterte allerdings kläglich. Nur soviel: in den letzten 250 Jahren haben Saarbrücken und das Saarland etwa 5 Mal die Nationalität gewechselt, sei es auf Druck von aussen oder durch eigene Wahl. Nach dem letzten Krieg galt das Saarland für einige Zeit sogar als selbständiger Staat, bis sich 1957 Frankreich und Deutschland einigten, das Land der BRD anzuschliessen. Doch es wurde Sommer 1959, bis der französische Franc, die bisherige Währung, durch die deutsche Mark abgelöst wurde.

Etwas mehr Beständigkeit findet man auf dem Burghügel, wo Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sein Barockschloss bauen liess. Seinem Architekten, Friedrich Joachim Stengel, gewährte er dabei weitgehend freie Hand. Dieser plante grosszügig und so entstand das imposante Schloss und 1775 die evangelische Ludwigskirche zusammen mit den umliegenden Häusern in einem klaren, aber gut verständlichen Rahmen, der viel freien Platz und wohltuende Sichtachsen offen hielt. In dieser Kirche erfolgte übrigens 1815 die feierliche Besitzergreifung des Saarlandes durch Preussen, welche damit jene beendete, die nur wenige Jahre zuvor durch Napoleon für Frankreich vorgenommen worden war.
Ein besonderes Erlebnis war der Besuch des Historischen Museums (ganz rechts im ersten Bild), das in einer modernen und sehr sachlichen Schau uns die verwirrende Geschichte wenigstens in Ansätzen näher brachte und dabei viele neue Facetten aufmachte.

     

Am Abend 'genossen' wir jeweils die Kultur am Ufer, als Teil des Festivalprojekts auf dem Theaterschiff Maria-Helena, das gleich vor uns lag. Während die Aufführung 'Der kleine Prinz' nach Saint Exupery noch nachvollziehbar war und die Zirkusschule für die Kinder diesen offensichtlich Freude bereitete, war die moderne klassische Musik für uns eher gewöhnungsbedürftig. Aber was will man mehr, kostenfrei, von zu Hause aus?

Nach vier Tagen fuhren wir weiter, nun auf dem ehemaligen Kohle-Kanal, der heute einfach Saarkanal genannt wird, weil das sauberer klingt. Er stellt seit dem Jahr 1870, wie bereits oben erwähnt, die Verbindung des Saarlandes mit dem französischen Kanalsystem sicher. Da dieses jedoch, wegen der Ausmasse seiner Schleusen, höchstens Schiffe mit Freycinet-Massen (40m lang, 5m breit) zulässt, wird er heute nur noch von Freizeitschiffern befahren. Für gewerblichen Betrieb sind dieses Ausmasse nicht mehr rentabel und die grossen Schiffe verlassen das Gebiet heute Richtung Norden. Der Kanal renaturiert sich nach und nach von selbst und wird dadurch, zumindest fürs Auge, freundlicher und die Umgebung eher feriengerecht. Das macht ihn für Freizeitschiffer umso attraktiver.

  

Die arbeitslosen, alten Pénichen, denen kaum einer mehr nachfragt, warten hier, geduldig und mit spürbarer Trauer, auf ihr unausweichliches Ende. Zum Teil hausen ihre alten Schiffer noch auf ihnen und machen das selbe. Und manchmal ist Nomen auch Omen.

  

In Saarguemines haben wir im Port de Plaisance, der vom lokalen Club Nautique L'EAU-REINE verwaltet wird, einen guten Liegeplatz gefunden und uns gleich entschlossen, für ein paar Tage hier zu bleiben.
Mit Sabine und Peter von der Youk, die vor uns angelegt hatten und die für ihren nächsten Lebensabschnitt sich auch den Wassernomaden anzuschliessen gedenken, haben wir bei einem Glas Moselwein so manche Erfahrungen ausgetauscht. Als sie am nächsten Tag weitergefahren sind, haben sie uns dieses Abschiedsbild geschenkt.

Von dem, was es für uns in Saarguemines darüber hinaus zu sehen gab, berichten wir im nächsten Monat.
So wünschen wir allen Lesern und natürlich auch uns selber bis dann noch ein paar schöne spätsommerliche Tage.

 

MonatAugust 2021:
24 h 50'
-11 Schleusen
- 127 km

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