Oktober 2021
|
Bei schönstem Wetter tuckerten wir mit unseren Gästen in Richtung
Strassburg. Wir hatten keine Eile und übernachteten das
erste Mal bei Km 283 des Marne-Rhein-Kanals und verbrachten die zweite
Nacht in Brumath.
Während dem letzten Kilometer, nach der Vorbeifahrt beim Europaparlament
und beim Anblick der ersten Wohnschiffe, an denen vorbei wir unsere
Reise am 8. Mai begonnen hatten, erlebten wir ein angenehmes Gefühl: es
war beinahe wie Heimkommen!
Die Einfahrt an unseren Liegeplatz war eng, aber Matz schlüpfte gekonnt in die schmale Lücke und nach wenigen Minuten lagen wir fest vertäut am für uns reservierten Platz: erstes Bild in Richtung Osten, das zweite in Richtung Westen, mit Aussicht auf die Stadt.
Die Wetterprognose für die nächsten Tage war nicht besonders gut. Darum machten wir uns, gemeinsam mit unseren Gästen, bereits am Nachmittag auf, zu einem ausgedehnten Spaziergang in die Stadt. Wir wollten die Sonnentage nutzen, so lange sie uns geschenkt wurden. Die Stadt war ausserordentlich belebt und an verschiedenen Stellen protestierten, lautstark und dicht gedrängt, Leute, die mit den behördlichen Masssnahmen gegen die Verbreitung von Corona nicht einverstanden waren. Für unsere amerikanischen Freunde wurde jedoch ihr Erleben einer lebendigen europäischen Stadt dadurch nicht getrübt. Zwei Tage später reisten sie wieder zurück nach Toul, wo sie ihr Schiff, noch vor ihrer Rückreise in die USA, für den kommenden Winter vorbereiten mussten.
Schon am Donnerstag der ersten Woche erlebte unsere Tradition vom letzten Winter ihre Wiederauferstehung. Wir organisierten einen ersten gemeinsamen Aperitif für alle Schiffsbesatzungen, die den Grossteil des Winters im Hafen verbringen werden. Zwei Paare vom letzten Jahr waren im Frühling abgereist, dafür sind drei weitere dazugekommen. Und noch mehr werden etwas später folgen. Wir waren also mehr als im letzten Jahr und so kamen einmal mehr neue Erfahrungen, unvergessliche Erlebnisse und verschiedene Pläne aufs Tapet. Mit dabei waren von der:
MELBA (Australien) Debra
und Mark
BRONTË (England) Helen und
Dave
MARILINA (England) Bobbi und Dave
ORIBI (Canada) Julan und
David
L'ÉSCAPADE (Australien) Evelyn und
Dave
KAVA'UVEA (Frankreich) Cathi und
Philippe
Der Oktober wurde den Erwartungen gerecht, die man normalerweise an ihn
stellt. Er brachte uns noch viele sonnige Tage, die wir als
'Altweibersommer' (Darf man das noch?) bezeichnen, während die
Nordamerikaner vom 'Indian Summer' reden und das Gleiche meinen. Nach und
nach wurden aber die Nächte kühler und die Blätter färbten sich bunt.
Mehrfach wanderten wir kreuz und quer durch die Stadt, die nun beinahe
zu einem normalen Leben zurückgefunden hatte. Geschäfte und Restaurants
hatten mehrheitlich geöffnet und wurden rege besucht. Wollte man sich
irgendwo hinsetzen, brauchte man das Zertifikat, während auf den
Strassen, durch ein grosses Polizeiaufgebot überwacht, Gruppen
zirkulierten, die sich gegen diese Zertifikats-Pflicht wehrten.
Wir richteten uns allmählich gemütlich ein und es begann so etwas wie ein dörfliches Leben in unserem Hafen. Daran wird sich in den nächsten Monaten wohl nicht mehr sehr viel ändern und wir werden unsere Berichte kürzer halten, bis wir uns im Frühling wieder auf unseren Weg machen können.
Aber das Leben ging natürlich trotzdem weiter. Schon lange
fieberte Matz einem Anlass entgegen, der unter dem Namen 'Zeitreise Villingen 2021'
dem frisch infizierten Herz einer
Steampunkdame keine Ruhe lassen konnte (dieser
Link führt zu einer ausführlichen Erklärung der
wundersamen Erscheinung aus einer anderen Welt). Während Wochen hatte
Matz mit
Schere, Faden und Nadel gewerkt und Trödlerläden geplündert, bis sie mit
ihrer neuen, wintertauglichen Ausrüstung zufrieden war. Für drei Tage
reiste sie damit nach Villingen, wo sie ihre Freunde traf, welche alle
von der
selben Sehnsucht erfüllt sind, lieber vor gut hundert Jahren gelebt zu haben.
In jener Zeit hatte Frau ja nicht viel, aber das trug sie mit Stolz!
Fast alle neuen Bekannten aus Echternach und Henrichenburg (siehe August
2021) fanden sich auch hier wieder und schwelgten bei wunderschönem
Wetter in ihren nostalgischen Gefühlen.
Mit offenem Geist betrachtet, ist es ja mehr als verständlich, dass man
unserer düsteren und oft auch bedrohlichen Zeit, wie sie sich jedem
offenbart, der auch nur einmal eine Zeitung aufschlägt, mit einer
kleinen Zeitreise zurück in vermeintlich gemütlichere Epochen zu entfliehen
versucht. Und dass man sich dort mit viel Humor und ausgesuchter
Höflichkeit begegnet, tut jeder empfindsamen Seele gut.
(Fotos von Thomas Pfleiderer, Lionel Louis und Clemens Kuytz)
Auf jeden Fall kehrte am Montag eine sichtbar zufriedene und strahlende Frau nach Strassburg zurück.
Weil das Wetter beim letzten Apéro-Termin wiederum strahlend schön war und der nahegelegene Parc de la Citadelle sein buntes Herbstkleid übergezogen hatte, verlegten wir für einmal diesen Anlass in die nähere Umgebung.
Da wir alle uns der ruhigen Lebensart verschrieben haben, war auf
jedem Schiff die Ausrüstung für eine gemütliche Runde Pétanque bereits
vorhanden. Wir wanderten an den Fuss der alten Ringmauer und vergnügten
uns während zwei Stunden beim Spiel mit den schweren Kugeln. Mit Cathi
und Philippe hatten wir zwei Fachleute unter uns, die für die Einhaltung
der richtigen Regeln sorgten.
Die Bilder sprechen für sich und brauchen keinen weiteren Kommentar.
Unserer Tradition folgend und weil wir aller Wahrscheinlichkeit nach in diesem Jahr kaum mehr mit dem Schiff wegfahren werden, fügen wir hier noch die Reisedaten dieses Monats und das Total des ganzen Jahres an.
> Monat Oktober 2021:
7 h 35'
- 11 Schleusen
- 32 km
- 2 Tunnel
- 1 Schräglift
> Jahrestotal 2021:
123 h 45'
- 132 Schleusen
- 519 km
- 4 Tunnel
- 2 Schräglifte