Juli 2022
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Am 29. Juni sind wir von Maastricht weggefahren und erreichten nach
wenigen Minuten auf der Maas den Verbindungskanal zur
Zuid-Willemsvaart. Auf dieser waren wir kaum eine Stunde
unterwegs, als wir erneut die Grenze zu Belgien
passierten, jedoch auf dem selben Kanal weiter nordwärts fuhren. Für die
folgenden zwei Tage, während denen wir durch den flämischen Teil Belgiens fuhren, hatten wir
online eine Vignette lösen müssen, deren Preis von 65 Euro vielleicht
als nicht sehr teuer erscheinen mag, aber im Vergleich zum Preis der
französischen Vignette doch recht stolz ist, die uns für rund 750 Euro während eines ganzen
Jahres freie Fahrt auf allen Wasserstrassen der Republik ermöglicht. Im
Passantenhafen von Eisden legten wir für die Nacht an und
fanden ganz in der Nähe eine interessante Anlage.
Während vordergründig ein neues Einkaufszentrum mit zahlreichen Outlet-Stores
möglichst viele Kunden anzulocken versucht und daneben ein Hotel auf Gäste wartet,
breitet sich etwas weiter hinten, auf dem Gelände einer ehemaligen Kohlegrube, ein
vielfältiges Naturschutzgebiet mit universitären Forschungsstätten und
Laboratorien aus. Zwei übrig gebliebene Fördertürme sorgen für den historischen
Zusammenhang und für weite Aussicht. Im Hintergrund zeugen die riesigen
Abraumberge von der harten Arbeit, welche die Kumpel
ihr Leben lang unter Tage geleistet hatten. Neben dem Besucherzentrum betreut die Universität Hasselt
eine optisch sehr ansprechende Forschungsstelle, welche hauptsächlich den Einfluss
verschiedener Umweltfaktoren auf Boden und Vegetation untersucht. Leider
scheint diese aber weitgehend leer zu stehen. Die weitläufige
Anlage wird durch verschiedene Wander- und Radwege erschlossen und bietet
darüber hinaus Raum für
vielerlei Outdoor-Aktivitäten.
Am 1. Juli sind wir kurz nach der Schleuse von Lozen wieder auf holländischen Boden gekommen, fuhren aber weiterhin auf der Zuid-Willemsvaart.
Während unserer Übernachtung bei der Schleuse Helmond wurde uns endgültig klar, dass wir von jetzt an zu den kleineren Verkehrsteilnehmern gehören würden.
Die Abzweigung nach 's-Hertogenbosch (Den Bosch) hat uns
etwas überrascht, weil auf unserer Karte der neue Maximakanaal
gar nicht eingetragen war. Kaum zwei Kilometer vor der Stadt
erscheint der alte Weg ins Zentrum heute als eher kleiner Seitenarm,
während seit 2019 der Hauptverkehrsweg um Den Bosch herum geführt wird.
Der Weg in die Stadt ist durch die neue Regelung unübersichtlicher
geworden und erfordert etwas Geduld, weil die Dungense brug
nur noch alle drei Stunden bedient wird. Am Schluss erwies der Weg sich gar
als Sackgasse, da die Stadtschleuse auf unbestimmte Zeit gesperrt und
damit gar keine Durchfahrt möglich war.
Bei unserem letzten Besuch (siehe Juli 2014) hatten wir im Stadthafen noch gemeinsam mit vielen Berufsschiffern gelegen, von denen manche gar im Zweierpack angelegt hatten. Darum erschien uns diesmal der Hafen riesig gross, denn wir teilten ihn einzig mit einem kleinen Motorboot.
Dafür hatten wir, natürlich vollkommen zufällig, unmittelbar vor einer - für unsere Begriffe - etwas speziellen Firma festgemacht. Um zehn Uhr am Morgen öffnete sie die Tür und schloss sie erst wieder gegen Mitternacht. Während dieser Zeit war ohne Unterbruch ein Türsteher mit Sonnenbrille davor postiert, der von jedem eintretenden Kunden einen Ausweis verlangte. Verkauft wurde offenbar Hanf in abgemessenen Portionen und zwar ausschliesslich an Einheimische im richtigen Alter. Genau das musste durch einen Ausweis belegt werden. Und die Kunden kamen ohne Unterlass, zu Fuss, per Velo oder Motorrad. Die allermeisten kamen allerdings mit dem Auto. Ein ständiges Türenschletzen war die Folge. Während des ganzen Tages!
Das Stadtzentrum lag nur ein paar hundert Meter von unserem Anlegeplatz in Richtung Westen.
Bei unserem Besuch, nutzten wir die Gelegenheit, an einer Bootsfahrt teilzunehmen, die den alten Wasserwegen quer durch und unter der Stadt hindurch folgte. Die Versorgung der Bewohner mit 'frischem' Wasser und das Wegbringen des Abwassers war, neben den fast obligatorischen Befestigungsmauern, eine der Hauptvoraussetzungen für ein sicheres Leben in den offenbar schon damals oft kriegerischen Zeiten.
Der Bootsführer erklärte in witzigen Worten, leider aber ausschliesslich in holländischer Sprache, die gelegentlich schillernden und pikanten Details der Anlage. Auch rudimentäre Kenntnisse der einheimischen Sprache genügten allerdings, wenigstens die wichtigsten Pointen mit zu bekommen.
Der enorme Aufwand, der vor drei- bis vierhundert Jahren geleistet worden war, beeindruckte alle Besucher und die gelegentlich engen Raumverhältnisse sorgten für unvergessliche Eindrücke.
In den freien Stunden während unseres Aufenthaltes haben wir das Kabinendach vorne und hinten sauber gewaschen, geschliffen und dann mit 5 kg Farbe aus der Schweiz neu gestrichen. Arbeiten in diesem Umfang sind für uns so selbstverständlich geworden, dass sie beinahe zum normalen Alltag gehören und daher kaum mehr Erwähnung finden.
Um unsere Reise fortzusetzen, mussten wir ein Stück den Weg zurückfahren, den wir gekommen waren. Nach der Dungense Brug drehten wir nach Backbord ab und fuhren durch den neuen Maximakanaal. Dieser brachte uns zurück auf die Maas, die auf ihrem Weg hierher zu einem eindrücklichen Fluss angewachsen war.
Mit zwei gemütlichen Tagesfahrten auf der Maas gelangten wir zum Städtchen Heusden. Dieses zeigt sich heute weitgehend in seiner mittelalterlichen Form und wirkt damit beinahe wie ein Freilichtmuseum. Im 16. und 17. Jh, während des 80-jährigen Krieges (Spanisch-Holländischer Krieg), waren zum Schutz vor Angriffen durch spanische Truppen beeindruckende Verteidigungsanlagen um die ganze Stadt herum gebaut worden. Nach diesem Krieg erlangten die nördlichen Provinzen die Unabhängigkeit von Spanien und damit auch von den Habsburgern. Sie umfassten damals das Gebiet, das in etwa dem heutigen Holland entspricht. Obschon die südlichen Provinzen noch für eine Weile bei Spanien verblieben, nennen sich deren Bewohner nach etlichen weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen heute stolz Belgier. Ab dem 19. Jh erwiesen sich die Befestigungen von Heusden als überflüssig und wurden abgebrochen. In den 1970er und 80er Jahren hat man sie jedoch, aus nostalgischen Gründen, nach alten Plänen weitgehend wieder aufgebaut. Die Investition hat sich offensichtlich gelohnt, denn der Ort wirkt heute sehr gepflegt und lebt offensichtlich gut vom florierenden Tourismus.
Wir fanden hier fast alles, was man als Tourist in Holland erwartet (siehe auch Titelbild), selbst das Restaurant, in dem wir im Juli 2014 (siehe dort) in bester Stimmung einen Kaffee mit so viel Rahm getrunken hatten wie noch nie!
Bei unserer Wegfahrt von Heusden bogen wir nach nur wenigen Metern
Richtung Steuerbord
ab und fuhren durch eine grosse Schutzschleuse in die Afgedamte Maas,
welche die Maas mit der Waal (einem der holländischen Unterläufe des Rheins) verbindet.
Erneut begegneten wir hier vielen Schiffen aller Grössenordnungen, die
noch gewinnbringende Arbeit verrichten.
Und diese Arbeit hinterliess gelegentlich wunderliche Spuren.
Dort, wo die Afgedamte Mass in die Waal
mündet, liegt auf der Südseite die Stadt Woudrichem.
Vielleicht ist es hilfreich, hier unserem Bericht eine Übersicht
über die Stadt voran zu stellen. Woudrichem ist Teil der
Alten Holländischen Wasserlinie, einer militärischen
Verteidigungsanlage, die ab 1672 aufgebaut worden war, um einem
allfälligen Angriff - diesmal - französischer Truppen begegnen zu können. Dabei
wurde angestrebt, mit geschickt gewählten Dämmen und Gräben das Wasser
derart zu verteilen, dass strategisch wichtige Bereiche unter Wasser
gesetzt werden konnten, um damit feindliche militärische Aktionen zu erschweren.
Ergänzt wurden diese Anlagen durch einzelne Festungen oder entsprechend
befestigte Städte. Offenbar war man damals entschlossen, die erst kurz
zuvor gewonnene
Unabhängigkeit von Spanien mit allen Mitteln zu verteidigen.
An prominenter Lage vor der Stadt liegt ein schöner Hafen für historische Schiffe, denen wir einen längeren Besuch widmeten. Unsere Anlegestelle war, etwas bescheidener, mehr gegen Osten hin gelegen. Dafür aber unmittelbar neben dem Stadttor.
Ein Spaziergang entlang des Schutzwalls, vorbei an der obligaten
Windmühle, brachte uns zum Pannenkoekenhuis, in dem wir
in holländisch-familiärem Rahmen uns eine der Nationalspeisen Hollands
schmecken liessen.
Nach der Rückkehr auf die Mizar genossen wir noch für ein paar Minuten das
schwindende Licht eines gefreuten Tages.
Auf der Waal ging es nur eine kurze Strecke zu Tal und dann erneut über
Steuerbord hinein in die Grote Merwedesluis bei Gorinchem.
Die Schleuse ist 120m lang und 12m breit. Also jede Menge Platz für uns.
Bei der Ausfahrt wollten wir höflich sein und dem Schleusenwärter danken
und einen
schönen Tag wünschen.
Wir zweifeln noch heute, ob die Scheiben tatsächlich durchsichtig sind.
Auf dem Merwedekanaal ging jetzt unsere Fahrt weiter, zunächst einmal bis Meerkerk. Die lange Kade war klar zweigeteilt für Anleger 'Sport' und 'Grote Schip'. Der Verkehr hatte stark zugenommen und die Liegeplätze wurden zunehmend knapp. Darum hielten sich nicht alle Schiffer an die Vorgabe. Für uns war allerdings der erste Platz für 'grosse Schiffe' gerade noch frei.
Kurz nach unserer Ankunft machte der wunderschöne alte Steilsteven Drie Gebroeders aus Tilburg an unserer Aussenseite fest. Er hatte keine andere Wahl, weil der Bereich 'Grote Schip' durch kleine Boote voll belegt war. Wir begrüssten gerne John und Caroline und hiessen sie willkommen. Es gab viel zu diskutieren, ganz besonders, da sie mit einem alten Kromhout-Motor unterwegs sind, sozusagen einem Zwillingsbruder unseres Gardner-Motors. Das sorgte alsbald für Gesprächsstoff. Was wir allerdings im ersten Moment nicht beachtet hatten, war die klare Signalisierung, dass Schiffe hier nur in einer Reihe liegen dürfen. So meldete sich auch schnell der Schleusenwärter der nachfolgenden Schleuse und wir waren echt erstaunt, wie problemlos der Platztausch mit zwei kleineren Schiffen vonstatten ging. Unter Holländern, die ganz offensichtlich mehr als nur die Sprache gemeinsam hatten.
Zwei Tage später und nach einigen kurzen Gesprächen, fuhren wir weiter mit vielen neuen Hinweisen auf mögliche Werften und Spezialisten in unseren Köpfen. Tipps, von denen nie genug haben kann, wer mit einem Schiff unterwegs ist, das schon bald seinen 100sten Geburtstag feiern kann. Leute, die noch mit alter Technik vertraut sind, werden eben langsam rar. Dankbar verabschiedeten wir uns von Caroline und John. Irgendwo werden wir ihnen bestimmt wieder begegnen.
Wir fuhren weiter nordwärts auf dem Merwedekanaal ...
... und überquerten kurz nach Vianen mit dem Kanal die Lek (der zweite Unterlauf des Rheins in Holland), ...
... wo wir am anderen Ufer, bei der Koninginnensluis, viel Glück hatten und direkt einfahren konnten. Die oberen Schleusentore machten dem Schleusenwärter aber offenbar Probleme. Mindestens zwei Mal ging er von seinem Büro zum Steuerkasten bei den Schleusentoren, manipulierte dort eine Weile und fuhr schlussendlich mit dem Velo davon, während wir etwas ratlos in der Schleusenkammer warteten. Nach einiger Zeit kam er aber wieder zurück und wir konnten endlich ausfahren.
Die Schiffe, die nur kurze Zeit nach uns gekommen waren, hatten es nicht so gut und mussten
schlussendlich
mehr als fünf Stunden warten, bis das Problem gefunden war und sie den halben Meter Höhenunterschied mit
Hilfe der Schleuse überwinden konnten.
In der Zwischenzeit hatten wir längst beim Liegeplatz Berufsfahrt
oberhalb der Schleuse
angelegt und sind mit unseren Velos nach Vreeswijk
(Nieuwegein)
zurückgefahren.
Dort, bei der alten Schleuse, steht nämlich seit 2006 neben der Museumswerft auch
ein Schifffahrtsmuseum. Dieses betreut im gleichen Becken auch einen Hafen für historische
Schiffe. Leider ist der Kanal nicht mehr durchgängig und die ganze Anlage
ist nur für historische Schiffe und nur auf Voranmeldung hin zugänglich.
Für andere Besucher bietet sie aber immer
noch viele interessante Ein- und Ausblicke auf die Geschichte der
Binnenschifffahrt.
Gleich hinter der Schleuse, sofern man den Damm hinauf steigt, öffnet sich eine ungehinderte Aussicht auf die Lek. Erst gegen Westen, dann gegen Süden und Osten, wo man auch die Einmündung sieht, von der wir gerade hergekommen waren.
Am Tag darauf sind wir nur eine knappe Stunde weitergefahren, mussten eine Hebebrücke passieren und legten an der Kade von Jutphaas (Nieuwegein) an. Mit viel Glück fanden wir noch einen Liegeplatz, obschon es noch nicht einmal 11 Uhr am Morgen war. Während der letzten Tage hatte der Schiffsverkehr fast sprunghaft zugenommen, offensichtlich unter dem Einfluss der Feriensaison, die gerade angefangen hatte.
Am nächsten Tag, es war Samstag, sind wir mit dem Bus nach
Utrecht gefahren. Utrecht ist immerhin die viertgrösste Stadt
in Holland und besitzt eine bedeutende Universität. Ein Umstand, der
zuverlässig für viel junges Leben in einer Stadt sorgt und ihr Bild
damit positiv prägt. Das eher kleine
Stadtzentrum von Utrecht ist gut erhalten oder gut restauriert, jedenfalls sehr
gemütlich. Die Oudegracht fliesst langsam, aber touristenwirksam zwischen den malerischen Häuserreihen und wird von
Mietbooten und kleineren Ausflugsbooten rege benutzt. Fast auf der
ganzen Länge wird der Wasserweg beidseits von Garten-Restaurants
gesäumt, die eine unterhaltsame Aussicht bieten und entsprechend fleissig besucht
werden.
Wie es in Holland nicht anders zu erwarten ist, gibt es zumindest am
Samstag einen riesigen Blumenmarkt, wo für jeden
Geschmack und jeden Anlass Blumen und Grünzeug im Überfluss angeboten werden. Und das
alles, zumindest für unser Empfinden, zu äusserst attraktiven Preisen. Im Grunde nicht
verwunderlich, beliefert Holland doch beinahe sämtliche Blumenmärkte
in Europa (siehe dazu auch unseren Bericht zu Floraholland im Februar 2013).
Im Restaurant Graaf Floris mussten wir natürlich die berühmten Appelbollen versuchen. Süss und äusserst gut, erinnerten sie, über viele Jahre zurück, an die gefüllten Äpfel aus Mutters Küche.
Am Sonntag machten wir eine kleine Velotour und profitierten dazu vom raffinierten Knotenpunkt-System (Knooppuntenkaart), gemäss dem in Holland alle Velorouten ausgeschildert sind. Dabei entnimmt man während der Planung der entsprechenden Karte die einzelnen Stationen, die man besuchen will und notiert sich lediglich die Nummern der Knotenpunkte, die dazwischen liegen. Alle Knotenpunkte sind mit einer Tafel am Radweg ausgezeichnet und zeigen mit einem Wegweiser die Richtung zum nächsten. So ist die Navigation ein Kinderspiel. Bis, ja nur bis man auf eine Umleitung stösst, die möglicherweise in der Geografie nicht sorgfältig ausgeschildert worden ist. Dann ergeht es einem unvermittelt so, wie dem Autotouristen, der blind seinem Navi folgt und am Schluss keine Ahnung hat, wo er sich eigentlich befindet. Dank dem angeborenen GPS-System von Matz, gelang es uns schlussendlich doch, unseren Umweg in Grenzen zu halten und wir kamen noch rechtzeitig zu unserem Bierchen in Vreeswijk. Der zweite Teil der Tour führte dann durch eine abwechslungsreiche und wunderschöne Parklandschaft mit viel Grün und sehr viel Wasser. Wenn man den Holländern eine Fertigkeit zugestehen muss, dann ist es die, mit sehr viel Geschick eine künstliche Landschaft zu gestalten, in der Art, dass sie am Schluss natürlich ausschaut und sämtliche in ihr angelegten Biotope eine funktionierende Umgebung vorfinden.
Die Weiterfahrt brachte uns nach einem guten Kilometer durch die Zuidersluis (Südschleuse) auf den Amsterdam-Rijnkanaal. Hier wurden wir einmal mehr mit der echten Schifffahrt konfrontiert. In enger Folge und viel schneller als wir, zogen die Schiffe, die zumeist der 135m Klasse angehörten, ihres Weges. Wir kleinen Freizeitschiffer fühlten uns gelegentlich etwas verloren in dieser Umgebung, obschon der Verkehr stets gut geregelt und auf die Besatzungen der Grossen immer Verlass war.
Wir blieben allerdings nur für rund 19km auf dieser grossen Wasserstrasse und
fuhren dann unter der Opburenbrug und durch die dazugehörende
Schleuse (die im Normalfall offen steht) hindurch, in die Vecht.
Die Vecht hat, nach der Eröffnung des grossen Kanals auf
ihrer Westseite, jede Bedeutung als Wasserstrasse verloren. Rasch haben
allerdings die Freizeitschiffer die Gelegenheit wahrgenommen und
verkehren umso fleissiger auf dem nun attraktiven Fluss. Das wiederum hat auch den Anwohnern
Vorteile gebracht, weswegen Häuser und Grundstücke auf beiden Seiten
offensichtlich so gesucht wie teuer sind.
Eine erste Liegestelle fanden wir in Maarssen, wo eine kleine Skulptur am Ufer die Erinnerungen an die 'gute alte Zeit', für immer in Messing gegossen, festhält. Vielleicht hilft diese Plastik auch Sehbehinderten, sich ein konkretes Bild zu einem Thema zu machen, das ihnen sonst verschlossen bliebe. Wir hatten schon in mehreren Städten detaillierte Stadt-Modelle in ähnlicher Art gesehen, die zum Zweck haben, dass diese Leute das Bild der Stadt ertasten und sich damit einen besseren Überblick verschaffen können. Dabei waren die kleinen Kunstwerke auch für Leute ohne Behinderung ein bereicherndes Erlebnis.
Die Fahrt auf dem Fluss, quer durch die Ortschaft, war sehr abwechslungsreich. Die Anwohner geben sich jede erdenkliche Mühe, dass das auch so bleibt.
Oft ist es schwierig zu entscheiden, ob die Schiffer einfach nur die Häuser bestaunen, oder die Hausbesitzer die Ufer schön gestalten, damit der Fluss für die Schiffer attraktiv bleibt.
Während der Fahrt durch Breukelen bewunderten wir weiterhin die schöne Aussicht und waren darüber hinaus erstaunt, dass sich die Brücken jeweils fast ohne Wartezeit wie durch Zauberhand öffneten. Was wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wussten, ist die Tatsache, dass es Leute aus Breukelen waren, die 1634 auf dem Neuen Kontinent die Siedlung Breuckelen errichteten, aus der später das heute wesentlich bekanntere Brooklyn, immerhin ein Stadtteil von New York, hervorging.
Mit schönen Liegenschaften liesse sich allein an diesem Ort mit Leichtigkeit ein ganzer Katalog füllen.
Etwas später, in Middenhoek, fanden wir unseren
nächsten Liegeplatz, der uns so gut gefallen hat, dass wir uns rasch
entschlossen haben, für zwei Tage hier zu bleiben. In der Zwischenzeit
war der wohl heisseste Tag des Jahres angebrochen und wir liessen uns
durch die vielen Leute, die kurzerhand von ihrem Boot ins Wasser
sprangen, dazu verleiten, das selbe auch zu tun.
Badeferien in Holland! Da muss sich Italien anstrengen.
Gleich gegenüber unseres Liegeplatzes, etwas versteckt im Gebüsch, lag die Mijndensesluis, die auffällig gut besucht wurde und die Schiffe mit unsichtbaren Fäden anzuziehen schien.
Wohin sie drängten, das wurde uns rasch klar, als wir mit Hilfe der Drohne etwas weiter gegen Osten schauten. Die Loosdrechtsche Plassen sind ein verzweigtes Seengebiet, allerdings mit einigen Untiefen, das für die vielen Boote ein echtes Eldorado darstellt. Wir haben uns vorgenommen, bei der nächsten Gelegenheit uns dort auch mal umzusehen.
Die Weiterfahrt auf der Vecht war äusserst angenehm und gestaltete sich einfacher, als wir während der Vorbereitung angenommen hatten. Trotz der Feriensaison und der vielen Schiffe fanden wir immer problemlos einen schönen Liegeplatz, wobei wir uns allerdings bemühten, jeweils schon vor dem Mittag irgendwo festzumachen. Obschon es erfreulich viele Möglichkeiten gab, wo man sich für 3x24 Stunden niederlassen durfte, wurden dies Plätze im Laufe des Nachmittags fast immer belegt. Wir begegneten stolzen Häusern mit sehr gepflegten Gärten, weiten Landschaften mit weidenden Kühen und Schafen, vielen wunderschönen alten Schiffen der unterschiedlichsten Bauart und beobachteten zwischendurch Wasservögel, die zumeist mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt waren. Auch wenn es gelegentlich regnete, tat das der Sache keinen Abbruch. Kein Wunder, hat dieses hübsche Gewässer schon ab dem 17. Jh viele amsterdamer Kaufleute angezogen, welche durch die in aller Welt handeltreibende VOC (Vereenigde Oostindische Compagnie) mächtig reich geworden waren. Sie schienen sich hier im Bau von Lustschlössern förmlich überbieten zu wollen.
Entlang der Vecht gibt es Plätze, wo mit Holzpfosten im Fluss (Dalben) Anlegestellen geschaffen wurden, von denen aus man das Ufer ohne
Hilfsmittel nicht erreichen kann. Damit ist gewährleistet,
dass Landwirtschafts- oder Weideland, das an den Fluss angrenzt,
nicht beeinträchtigt wird und - bestimmt ebenso wichtig - dass die
Anlegeplätze kostengünstig
zu erstellen waren. Gerne haben
wir mehrfach von diesem Angebot Gebrauch gemacht, wie hier beim Fort
Uitermeer. Das runde Gebäude (linke Bildmitte) ist ebenfalls Teil der
Alten
Holländischen Wasserlinie, in deren Auftrag es einst Truppenunterkünfte bereit hielt
und mit Kanonen bestückt war. Weitere dieser eigenwilligen Rundbauten
findet man auch in Weesp und in Muiden.
Weil wir hier wieder in der Nähe der Berufsschifffahrt waren, zeigte uns
auch die Website
Marinetraffic wieder regelmässig an der korrekten Position.
So näherten wir uns nach und nach der Stadt Weesp, die wegen der Feriensaison und ihrer Nähe zu Amsterdam aus allen Nähten zu platzen schien. Vielleicht spielte dabei aber auch eine Rolle, dass Weesp erst am 24. März 2022 als neunter Bezirk in die Gemeinde Amsterdam eingegliedert worden ist. Damit waren wir nun offiziell auch in Amsterdam!
Es gibt zwei Sachen, welche die Holländer über alles schätzen. Das erste
ist 'gezelligheid', was ein Schweizer auch mit 'FIGUGEGL'* übersetzen könnte, und das zweite, sich, womit auch immer, auf dem Wasser
zu bewegen. Von beidem konnte man sich in Weesp leicht
überzeugen, weil beides intensiv gelebt wurde. So brauchte es
gelegentlich etwas Anstrengung, wollte frau einfach ruhig
und allein die Zeit und das schöne Wetter geniessen.
(* steht für: Fondue ist gut und gibt eine
gute Laune.
Mit dem Unterschied, dass die Holländer
dazu weniger Käse aber viel mehr Bier brauchen.)
Unser Schiff hatten wir übrigens bei der Wassersportvereinigung De Vecht abgestellt, von wo wir einfachen und ungehinderten Zugang zur Stadt hatten.
Aber die Abende waren stimmungsvoll und erstaunlich ruhig!
In zwei kleinen Teilstücken tuckerten wir die Vecht hinunter bis zu
ihrer Mündung in Muiden. Wegen der starken Winde, vor
denen in der Wetterprognose gewarnt worden waren, hatten wir unterwegs
noch einmal einen Nachthalt eingelegt.
Während der Fahrt begegneten wir weiterhin vielen Ferienschiffern, sahen
aber auch immer mehr wirklich alte Traditionsschiffe, die mit uns seewärts fuhren oder am Ufer stationiert
waren. Das 'weite Meer' lockte also nicht nur uns!
In Muiden schienen sie zuhauf auf die grosse Abfahrt zu
warten und wir fühlten uns in vergangene Zeiten zurückversetzt.
Die Schleuse teilten wir mit einer grossen Tjalk und es brauchte etwas Feinarbeit, bis alles passte.
Schlussendlich klappte alles fast auf den Zentimeter.
Kurz nach der Schleuse öffnete sich der Horizont und wir Schleusenschiffer mutierten urplötzlich zu Seefahrern.
Am südlichen Rand des Markermeers folgten wir dem mit Bojen ausgesteckten Weg in Richtung Gooimeer.
Für den ersten Stop hatten wir uns die herzförmige Insel Schelp ausgesucht, wo wir einen ruhigen, windgeschützten Platz vorfanden.
Den zweiten Halt machten wir erneut bei einer kleinen Insel, gerade nach
der Autobahnbrücke Stichtsebrug. Wir waren dort sehr gut aufgehoben, auch wenn
der Name der Insel, Dode Hond, das nicht
unbedingt versprochen hatte. Weil es uns so passte, sind wir gerade zwei
Tage geblieben. Während dieser Zeit konnten wir Schwäne beobachten in
einem Ausmass, wie wir das noch nie auch nur annähernd gesehen haben.
Etwas weiter weg zwar, vielleicht einen Kilometer von uns, erstreckte
sich ein Schwarm dieser prächtigen Vögel fast von einem Horizont zum
anderen. Allerdings nur mit dem Feldstecher wirklich zu beobachten. Auf einem
breiten Band, das sicher drei Kilometer oder mehr lang war. Wir haben
gezählt und vorsichtig geschätzt. Es waren wohl gegen tausend Tiere! Sie
bewegten sich kaum und waren auch am zweiten Tag immer noch da.
Am Tag darauf passierten wir nach kurzer Fahrt die Nijkerkersluis,
die in einem etwas langwierigen Manöver, trotz stetigem Doppelrot, immerhin etwa 15
Schiffe in ihr Becken packte, und diese dann, während nun auch das
Ausfahrtsignal rot leuchtete, wieder entliess. Dabei waren wir kaum 10 cm
angehoben
worden. Die nächste Nacht verbrachten wir im kleinen Naturhafen
Wij-Land, der mit minimalster Infrastruktur dafür aber waldiger
Umgebung punkten konnte. Er war so klein, dass er auch auf der Karte nur
durch Zufall zu finden war. Die recht grosszügige Kade war von etwa vier
Booten so gekonnt belegt worden, dass für uns kein Platz mehr übrig war. Zum
Glück gab es etwas weiter vom Ufer weg noch eine lange Reihe von Dalben,
dort machten wir es uns bequem.
Unser letzter Reisetag in diesem Monat brachte uns nach Zeewolde, dort hätten wir gerne wir den Monat Juli und auch den entsprechenden Bericht abgeschlossen. Nach der Hafeneinfahrt zeigte sich aber rasch, dass wir da vergeblich nach einem Platz suchten. Schliesslich war Samstag und das Wochenende hatte begonnen. Wir waren schon während der Fahrt entlang der Nuldernauw etwas unsicher geworden, derart stark hatte der Verkehr zugenommen. Wir mussten unseren Plan aufgeben und weiterfahren. In der Nähe von Harderwijk haben wir dann, eher durch Zufall, einen Anlegesteg gefunden, die uns für dieses Wochenende aufgenommen hat.
> Monat Juli 2022:
46 h 40'
- 22 Schleusen
- 30 Brücken
- 252 km