Dezember 2023 |
In unserem Winterquartier in Bühl (Klettgau, D) lebten wir uns rasch ein. Unsere kleine Wohnung war gut gelegen, in einer hügeligen Landschaft, die durch verschiedene kleine Bäche vor langer Zeit abwechslungsreich gestaltet worden war. Viele Landwirtschaftsbetriebe in der Umgebung haben sich in einem speziellen, aber offenbar ergiebigen Erwerbszweig eingerichtet, indem sie sich auf die Haltung von Reitpferden spezialisierten. Ein Angebot, das hauptsächlich auf schweizerische Kunden ausgerichtet ist. Ein kurzer Blick auf die Kontrollschilder der geparkten Autos genügte für diese Feststellung und sie lässt sich leicht durch die deutlich tieferen Preise diesseits der Landesgrenze erklären.
Im letzten Monatsbericht hatten wir die scheinbar überdimensionierte Kirche in Bühl erwähnt, die der heiligen Notburga gewidmet ist und Tag und Nacht die Stunden schlägt. Bim-bam-bum (Glocken 3-1-2), für jede Viertelstunde. Zwei Mal für die zweite und drei Mal für die dritte. Vier Mal für die volle Stunde, die sich danach, wie jede bisher vergangene Stunde, mit einem tiefen Glockenschlag (Glocke 1) verabschiedet. Am Sonntag zieht die Kirche regelmässig zahlreiche Gläubige an. Ihr Inneres hat uns durch seine unerwartete Üppigkeit überrascht.
Die heilige Notburga war angeblich eine schottische Königstochter, die nach der Ermordung ihres Gemahls, Herzog Alboin, ihre Heimat hatte verlassen müssen. Auf der Flucht kam sie ums Jahr 820 nach Bühl. Sie war hochschwanger und schenkte hier am 24.Juni des Jahres 820 neun Kindern das Leben. Gemäss der Legende starb eines davon jedoch bald nach der Geburt. In ihrer Not berührte Notburga, ganz nach dem Vorbild von Moses in der Wüste, mit einem Stab einen Felsen, worauf aus diesem sogleich eine Quelle entsprang. An dieser Stelle errichtete sie eine Herberge für Fremde und eine Kapelle, die im Jahr 820 vom Bischof von Konstanz geweiht wurde.
Begraben wurde sie in der Pfarrkirche von Bühl. Offenbar hat sie dort auf die Fürbitten ihrer Verehrer zuverlässig reagiert, denn das Grab wurde während Jahrhunderten Ziel zahlreicher Pilgerreisen, mit denen sich Gläubige für die Hilfe in schwierigen Lebenslagen bedankten.
Als man im Jahr 1830 das Grab öffnete, war dieses jedoch leer.
Vor einem Jahr waren wir um diese Zeit in Gibraltar (siehe Dezember
2022) und verbrachten dort die letzten Tage des Jahres 2022 in belebter, städtischer
Umgebung. Welch Unterschied zu unserem Umfeld in diesem Jahr!
Als wollte die Natur uns zeigen, dass hier andere Regeln gelten, brachte
sie uns
rasch den ersten Schnee. Dieser verschaffte uns einen beruhigenden und
richtig festtäglichen Ausblick von unserer Wohnung
Richtung
Süden.
Weihnächtliche und geschäftstüchtige Stimmung einer etwas anderen Art fanden wir bei einem kleinen Ausflug nach Waldshut, wo man schon am Anfang des Monats die saisonalen Bedürfnisse der Besucher zu befriedigen suchte.
Daneben verbrachten wir unsere Zeit auch mit Spaziergängen in der Umgebung, wo, weil der Schnee schon wieder geschmolzen war, wenig auf die kommenden Festtage hindeutete. Wenn immer sich eine Gelegenheit bot, besuchten wir unsere Enkel in der Schweiz.
An einem solchen Tag ergab es sich, dass wir am sechsten Geburtstag des ältesten der drei Enkel mit dabei sein konnten.
Jeden Tag lauschten wir wiederum während mindestens einer Stunde einem
Hörbuch. Auch diesmal war es ein Werk von Sabine Ebert (1815
Blutfrieden).
Das Buch schliesst unmittelbar an den ersten Band der selben Autorin (Sabine
Ebert, 1813 Kriegsfeuer) an, dem wir während des letzten Monats
gefolgt waren. Das umfassende und packende Thema hatte uns beim Besuch
des Napoléonmuseums Arenenberg im letzten Monat (siehe dort) erst
richtig in Beschlag genommen. In diesem Werk wird anhand einer
Alltagsgeschichte das harte Leben in Europa während der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts hautnah geschildert. Nach der französischen Revolution hatte
Napoleon die ungelösten gesellschaftlichen Probleme des Umsturzes in
Frankreich aufgenommen und sie in seinem Machtwahn über ganz Europa
und bis nach Moskau ausgebreitet. Dabei bekriegten sich über lange Zeit
mehrere Länder
in wechselnden Allianzen und
mit unterschiedlichsten Interessen quer durch den Kontinent.
In erster Linie ging es dabei um Erhalt und Ausbau von Macht und Einfluss der
Kaiser- oder Königshäuser von Preussen, Sachsen, Österreich-Ungarn,
Russland, Schweden und Frankreich. Während die Generäle für ihre Könige
zahlreiche Schlachten schlugen und dafür befördert wurden oder Orden
erhielten, starben bei jeder zehntausende Soldaten
und noch viele mehr wurden verstümmelt. Der
gemeinen Bevölkerung fiel die undankbare Aufgabe zu, die
kämpfenden und marodierenden Armeen zu ertragen und zu ernähren, während sie
selber hungerte und wegen der grassierenden Seuchen unvorstellbares
Elend erfuhr. Sie war es, die
während Jahrzehnten unter den fürchterlichen Wehen Europas litt, welche die Geburt der europäischen Nationalstaaten mit sich
brachte.
Die blutigen Kriege dauerten
mindestens bis zum
Ende des Jahrhunderts und selbst dann hatte man noch keinen verlässlichen
Frieden
begründen können.
Selbst heute, nach zwei mörderischen Weltkriegen,
straucheln die Regierungen Europas noch
immer über die selben Stolpersteine bei ihrer Suche nach einer
funktionierenden Europäischen Union.
Daneben war Matz lange Zeit beschäftigt, mit dem Schneidern und Nähen einer neuen Gewandung, die wohl in Kürze bei einem der nächsten Treffen mit ihren Steampunk-Freunden zum Einsatz kommen wird. Eine Leidenschaft mit offenem Ende, aber ein friedvoller Umgang mit einer Geschichte, wie sie auch hätte sein können. Zwischendurch entstanden dabei auch die Fasnachtskostüme für unsere drei Enkel, welche, als drei Drachen verkleidet, im nächsten Jahr während der Fasnacht ihren Wohnort erschrecken wollen.
Ein unbedingtes Muss für Matz war der Anlass Kaleidoscopum Anthropicum. Ein Treffen der Schweizer Steampunks, mit Exponaten der 'Grusser'schen Werke für sonderbare Maschinen' (Raphaelius Alva Grusser) und einer Multimedia-Show von Yorix Tomcat. Ein interessanter, unterhaltsamer Nachmittag mit vielen neuen Begegnungen und Gesprächen.
Mitte Dezember reservierte sich Matz einen Samstag, um gemeinsam mit Freundinnen zu
'guetzle' (Weihnachtsplätzchen zu backen).
Das war ein Heidenspass, der etliche Guetzlischachteln füllte und sich länger
in den Abend und weiter in die Nacht hinein zog, als eigentlich vorgesehen war ...
Weihnachten konnte kommen ... ... wir waren bereit und feierten ganz
gemütlich in unserer kleinen, aber heimeligen Wohnung.
Am 26. Dezember besuchten wir in Jestetten, kaum 15 Minuten von unserem
gegenwärtigen Heim entfernt, das Konzert der
Kowalew Don Kosaken
Während fast zwei Stunden füllten die sieben Sänger der bekannten
Gruppe die Markuskirche mit ihren kräftigen Stimmen und schufen damit
eine wohltuende Atmospäre.
Mit einem kurzen Ausflug auf die Klosterinsel Rheinau
unmittelbar vor Silvester nutzen wir einen der wenigen wirklich sonnigen
Tage. Das Wetter war gerade richtig für einen Rundgang um die ehemalige
Benediktiner Abtei aus den 8.Jhd. Im Jahre 1834 war das
Kloster dem Kanton Zürich zugesprochen worden, der ihm aber nach kurzer Zeit verbot, neue Mönche aufzunehmen. Gleichzeitig verlor
es
das Recht, in seiner Umgebung den 'Zehnten' als Steuer einzuziehen.
Damit war das Ende des Klosters und der darin eingebetteten Schule
besiegelt.
Trotzdem bildet es heute, zusammen mit dem Städtchen Rheinau eine
gepflegte Einheit, die jederzeit einen Besuch wert ist.
Während der zwei letzten Tagen des Jahres erreichten uns immer mehr beunruhigende
Nachrichten aus Haren, dem Ort, wo unsere Mizar
im Moment liegt. Als Folge der anhaltenden Niederschläge meldeten
verschiedene Gegenden in Deutschland alarmierende Hochwasserstände. Die
Bilder, die wir im Fernsehen vorgeführt bekamen und danach im Internet
fanden, zeigten, dass der Wasserspiegel auch im Hafen von Haren
rekordverdächtige Höhen erreicht hatte. Betrachtet man das erste Bild
vom Oktober 2023 (siehe dort), das den Hafen von Haren mit
unserem Schiff am Steg vertäut zeigt, mit dem ersten unten
stehenden, sieht man, dass Damm und Strasse, die zwischen dem Hafen und
der Ems liegen, gerade noch aus dem Wasser schauen (unsere Mizar ist
rechts im Hintergrund zu erkennen). Das alte Museumsschiff 'August',
das im erstgenannten Bild im Hintergrund hoch auf dem Damm im Trockenen
aufgebockt steht, ist im mittleren Bild unten zu sehen. In der
Flugaufnahme rechts steht es nahe dem rechten Bildrand im Wasser der
Ems und rechts davon sieht man noch knapp das Hafenbecken.
Unsere etwas besorgte Anfrage bei der Hafenbehörde blieb zunächst mal ohne Antwort. Die hatten wohl
gerade wichtigeres zu tun.
(alle drei Bilder aus dem Internet)
Am Ende des Jahres wünschen wir allen, die gelegentlich unserem Tagebuch folgen,
dass sie, wie wir, zufrieden und dankbar auf dieses Jahr zurückschauen
können.
Wenn auch die Aussichten in die Welt hinaus düster sein mögen, ist es
doch erlaubt und sicher auch vernünftig, sich für einen kurzen Moment
ganz bewusst am kleinen Glück zu erfreuen, das uns trotz allem immer wieder
geschenkt wird.
In diesem Sinne wünschen wir allen ein glückliches und zufriedenes 2024!
Matz und Hansruedi