November 2024 |
Für die düstere Jahreszeit haben wir uns wieder in Bühl (Klettgau D) eingerichtet. Wie letztes Jahr auch schon. Wahrscheinlich ist es schon in längst vergangenen Zeiten vielen Leuten ähnlich ergangen. Sie hatten ihre liebe Mühe, mit dem grauen Nebel umzugehen und auch mit der kühl-feuchten Luft, die sich in die Kleider schleicht und einfach keine Behaglichkeit aufkommen lassen will. Oder ist es nur Zufall, dass man während dieser Zeit vermehrt an die Toten denkt oder mit bunten und skurrilen Kostümen die Geister zu verscheuchen sucht? Für die einen ist es Religion, andere nennen es Halloween oder Fasnacht und für die Kinder ist es eine willkommene Gelegenheit, von den Erwachsenen noch mehr Süssigkeiten einzufordern. Die mildeste Form von all dem ist wohl, aus Räben kleine Laternen zu schnitzen und in der viel zu früh einbrechenden Dunkelheit damit herum zu wandern, als Versuch, so wenigstens ein klein wenig Licht zu verbreiten. Lieder zu singen, um Herzen zu erwärmen.
Die mahnende Seite dieser Jahreszeit wird hier in Bühl durch das
Glockengeläute verstärkt, das zuverlässig vom nahen Kirchturm, Tag und
Nacht, jede Viertelstunde zählt und die abgelaufenen ganzen Stunden
jedem verkündet, der sonst vielleicht gar nicht bemerkt hätte, wie viel
seiner Zeit inzwischen schon verstrichen ist. An
anderen Orten ist diese laute Mahnung längst eingeschränkt worden, wohl
weil zu unbequem. Hier schickt man zuverlässig noch drei Mal am Tag das
Angelusläuten hintennach.
An einem der seltenen Sonnentage haben wir dieses Geläut für unseren
Bericht festgehalten.
Man könnte, wie wir es in früheren Jahren auch mehrfach gemacht haben,
während dieser Zeit in Gegenden reisen, wo jetzt vorwiegend die Sonne scheint und so dem
Grau entfliehen. Aber das Leben lebt auch hier und wir sind
Teil davon. Davonlaufen kann auf Dauer nicht die Lösung sein und wir werden
trotzdem älter.
Darum haben wir hier, wie letztes Jahr auch schon, diese kleine Wohnung gemietet
und gleich damit angefangen, von hier aus jene Kontakte zu pflegen, die in
den letzten Monaten zu kurz gekommen sind.
Zunächst besuchte allerdings Matz einen weiteren Anlass ihrer
schweizerischen Steampunk-Gruppe, den
2.SSS SSS (Sonderbarer Sonntags-Salon der Steampunk
Society Switzerland) im Eventlokal 'Hutmacher' in Maur ZH.
Es war wiederum ein geselliges Beisammensein mit Freunden, die
demselben Virus erlegen sind.
Dazu ist die Location absolut perfekt für dieses Zusammensein!
Nur wenige Tage später war erneut das jährliche Treffen der
Maturaklasse von Hansruedi fällig, das schon fast traditionell in seiner
Heimatstadt Solothurn abgehalten wurde (siehe auch
jeweils November 2014, 2016, 2018 und 2022). Im Jahr 2020, genau vor
vier Jahren, war es der Corona-Epidemie zum Opfer gefallen, deren
Verwirrungen nur durch jene der schon damals beängstigenden US-Präsidentschafts-Wahl übertroffen worden waren.
Dieses Mal trafen wir uns zum Mittagessen im Restaurant Pintli in
St.Niklaus, etwas nördlich der Stadt. Bei unserer Zusammenkunft denken
wir Jahr für Jahr mit Nachdruck an jenen Tag, an dem uns offiziell ein
Reifezeugnis
überreicht worden war. Die Meinung, damit als erwachsen zu gelten, hat
uns in unsererem etwas euphorischen
Gefühl bestärkt, irgendwo
angekommen zu sein. Im Laufe der Zeit mussten wir allerdings lernen, dass
das Zeugnis lediglich einen Moment im Verlauf unseres Lebens meint, das immer weitergeht und gar nicht stehen
bleiben kann.
Wir werden fast unmerklich älter.
Im aktuellen Jahr war die 61. Wiederholung unseres Treffens fällig. Es ist daher nicht weiter erstaunlich, dass
die Gruppe der Jubilare im Vergleich zum letzten Jahr erneut geschrumpft
ist. Gleich mehrere in Ehren ergraute Häupter mussten
diesmal wegen ernsthafter Erkrankung auf
die Teilnahme verzichten, während andere, denen es gut ging, es nicht einmal für nötig befunden
hatten,
auf die Einladung zu reagieren. All dies hatte zur Folge, dass am Mittagstisch
sich die Gespräche vorwiegend um die Fortschritte in der Medizin und die
jeweils eigenen Erfahrungen damit drehten. Dabei war die persönliche Betroffenheit bei fast
jedem irgendwie spürbar. So schien der um Jahrzehnte
zurückliegende wichtige Tag, dem unser Treffen im Grunde gilt,
irgendwie an Bedeutung verloren zu haben. Die Erinnerungen daran, die
der jährlichen Pflege und Erneuerung bedürfen, sind, genau wie das Foto, offensichtlich am Verblassen.
Die Jugend entschwindet, genau wie wir es vor vielen Jahren aus vollem
Herzen - und nichts ahnend - gesungen hatten.
Ob das wohl der einzige Grund war, dass fast alle Teilnehmer schon am späteren Nachmittag sich wieder
auf die Heimreise machten?
Nur drei Tage später mussten wir die Nachricht entgegen nehmen, dass
erneut einer unserer alten Kameraden sich von dieser Welt hat
verabschieden müssen.
* Verklungen der Kommersgesang,
o jerum, jerum, jerum *
Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wurde auch klar, dass die aktuelle
Präsidentschaftswahl in den USA diesmal jenes Ergebnis erbracht hatte, das uns vor vier Jahren mit viel Glück noch erspart geblieben war.
Es würde Sinn machen, davor jetzt wirklich Angst zu haben, ist dieses Ereignis
ja nicht Schicksal. Es wurde ausschliesslich von Menschen
gemacht und unverständlicherweise von der Bevölkerung der grössten Demokratie der Welt
so frei gewählt.
HOMO HOMINI
LUPUS
Zweck und Ziel unseres Aufenthaltes in Bühl ist es auch, während dieser Zeit Familienmitglieder und Freunde zu treffen, die wir schon zu lange nicht mehr gesehen hatten. Freunde aus der Studienzeit oder längst vergangenen Militärdienst- oder Berufsperioden, aber auch nähere Verwandte oder verschiedene Bekanntschaften aus unserem aktuellen Schifferleben. Viele hatten offensichtlich gerade mit weit bedeutenderen Problemen zu tun, als alles, worüber wir hier normalerweise berichten. Der grössere der Enkel allerdings, der weiss mit seinem Problem offenbar fröhlich zu leben.
Das alles passte genau in die Stimmung, für die
der Monat November in mancher Hinsicht den Rahmen abgibt.
Grau, feucht und kalt.
Nur an einem einzigen Abend meldete sich der Winter mit kräftigem Schneefall und
am Morgen sah die Welt von unserem Balkon aus gesehen, ganz verändert
aus. Ein Tag später war die Pracht jedoch schon wieder geschmolzen.
Wir hörten die Signale und dankten aufrichtig dem Schicksal, das es bis jetzt mit uns
persönlich fast immer gut gemeint hat.
Einer unserer Ausflüge brachte uns ins Städtchen Stein am Rhein. Was im Sommer als Touristenort erster Güte gilt, ist im November zwar immer noch schön, wirkte allerdings menschenleer, mit etwas tristem, fast morbidem Flair.
Nach all den düsteren Gedanken wird es jetzt höchste Zeit, dass wir uns den
bunteren und froheren Seiten des Lebens zuwenden. Da die Tage aber weiterhin
kürzer werden, hilft nur, ab und zu ein Licht anzuzünden
und uns auf die kommende Zeit zu freuen.
Darum wird wohl Licht das Hauptthema des nächsten Monatsberichtes sein.