Dezember 2024
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Unseren etwas düsteren Bericht zum vergangenen Monat November hatten wir mit dem Versprechen
abgeschlossen, zu Ehren des Wintermonats Dezember
wieder mehr Lichter anzuzünden.
Dabei ist uns allerdings die Gemeinde Bühl im Klettgau,
wo wir zur Zeit wohnen, zuvorgekommen und hat den festen
Grillplatz, den sich die Einwohner etwas unterhalb der Kirche schon vor
längerer Zeit eingerichtet hatten, in einen kleinen
Weihnachtszauber verwandelt (Titelbild). Fast jeden Abend versammelten sich
hier
einige Leute, sassen gemütlich um den angefeuerten Grillofen herum und
liessen es sich gut gehen. An Gesprächsstoff fehlte es offensichtlich
nicht, und ab und zu ertönte sogar ein fröhliches Lied.
Erst bei genauerem Hinsehen haben wir bemerkt, dass wir Zeugen geworden
sind, eines vielleicht nicht ganz so weihnächtlichen Brauches.
Zur weiteren Aufheiterung beigetragen hat der Zufall, dass der 1. Dezember zugleich der erste
Adventssonntag war. Darum wurde an diesem Tag auf dem nahen Hofgut Albführen unter dem Motto
'Winterzauber' eine Art Weihnachtsmarkt
abgehalten.
Das Wetter war allerdings alles andere als winterlich, was aber die zahlreichen
Gäste nicht zu stören schien. Das Hofgut, das ausschliesslich vom und
für den Pferdesport lebt, hat sich vor allem dem Dressur- und
Springreitsport verschrieben. Dazu gehört auch ein ergänzendes Angebot in den Bereichen Gastronomie und Hotellerie,
sowie drei ausgesucht schöne Reithallen. Es spielt daher während
des Jahres eher in den oberen Gesellschaftsschichten.
Der Anlass sollte wohl dem
gewöhnlichen Volk zeigen, dass das Leben mehr als ein Ponyhof sein kann.
Er glänzte durch preiswerte Ausflüge mit Pferdegespann, Festwirtschaft
und Marktständen,
sowie mit dem Besuch eines veritablen St.Nikolaus im bischöflichen Gewand.
Damit wirkte er traditionell und hob sich wohltuend ab vom üblichen, oft sehr kitschigen 'Weihnachtsmann',
dessen Ursprung bekanntlich auf eine Coca Cola Werbefigur zurück geht.
Das Hofgut liegt in einer ausgesucht schönen Umgebung und ...
... der Anlass bot für alle Besucher etwas passendes.
Während der vergangenen, langen Abende hatten wir eine alte Gewohnheit
wieder aufleben lassen und einem Hörbuch gelauscht, das
vom Bau des ersten Eisenbahn-Gotthardtunnels berichtet.
Dieser war in
den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts zwischen Göschenen und Airolo
gebaut worden. Soweit man heute in den Schulbüchern überhaupt
etwas von diesem Ereignis findet, dann nur über die Leistungen dem Initianten Alfred Escher, dem
späteren Direktor der Gotthard Eisenbahngesellschaft, der für die Finanzierung des epochalen Unternehmens
sorgte und Louis Favre, der
ursprünglich Zimmermann war, aber als Architekt und Erbauer der wichtigsten
Nord-Südverbindung
durch die Alpen Geschichte machte. Der im August 1874
unterzeichnete
Vertrag
zwischen den beiden Parteien sah für den 15 km langen Tunnel
eine Bauzeit von acht Jahren vor. Der vereinbarte Preis von 42 Millionen
Franken war fix und durfte nicht
überschritten werden. Für jeden Tag Verspätung war dagegen eine
empfindliche Busse von 5000 Franken ausgehandelt worden, die Favre hätte zahlen müssen.
Ab einer Verspätung von mehr als einem halben Jahr hätte sich die Busse
gar
verdoppelt.
In unserem Hörbuch spielten die grossen Herren allerdings lediglich eine
Nebenrolle, denn es berichtet in erster Linie über die Veränderungen,
die der Tunnelbau den Gemeinden Göschenen und Airolo an beiden Pforten auferlegte. Noch
eindrücklicher ist die Beschreibung der Arbeitsbedingungen der Bergleute,
die zumeist aus Italien gekommen sind und ein Leben führen mussten, das
wir uns heute kaum mehr vorstellen können. Nur mit Glück konnten
sie davon ausgehen, ihren harten Einsatz auch nur zu überleben. 199
Arbeiter hatten dieses Glück nicht. Die gefährliche Arbeit brachte verschiedene Risiken mit sich, sei es durch Unfall,
Rauch, Staub, Steinschlag
oder durch andere, bis anhin unbekannte Krankheiten.
Selbst wenn das Buch 'Bergleuchten' von Karin Seemayer, nicht der grossen Literatur zugerechnet werden
kann, kommt es doch unserer Vorliebe entgegen, mehr über den Verlauf der
technischen Revolution jener Periode zu erfahren. Genau wie die
Arbeiten an den Kanälen, die quer durch Europa den Schiffsverkehr erst möglich
machten, brachte der Ausbau der Eisenbahnlinien den Fortschritt
auch in
die entlegeneren Gegenden des Kontinents.
Es war ein langer Weg von den
Anfängen der Arbeiten bei Göschenen, wo Bohrmaschinen mit Hilfe von Pressluft aus Kompressoren die Sprenglöcher
hämmerten, wobei die Energie dazu durch Wasserkraft
aus der Reuss in der nahen Schöllenenschlucht gewonnen wurde, bis ...
... im Jahr 1881 endlich der erste Zug mit Arbeitern von Airolo her
durch den neuen
Tunnel nach Andermatt fahren konnte. Diese Reise dauerte dann nur noch 50 Minuten.
Am 22. Mai 1882 wurde der Tunnel, nach einer Bauzeit von knapp acht Jahren, feierlich eingeweiht! Die vertraglich gesetzte Frist wurde also eingehalten.
Eine unerwartete Gelegenheit beim Schopf packend, kauften wir danach zwei Tageskarten für
die schweizerische Eisenbahn und fuhren die Strecke von Zürich nach
Locarno. Über die
Bergstrecke natürlich! Die vorbeiziehende Landschaft und die Kirche von
Wassen mit anderen Augen als je
zuvor: voller Aufmerksamkeit und mit grossem Respekt.
(Trotzdem haben wir den Moment, wo man die
kleine Kirche von unten sieht, diesmal verpasst!)
Es war schon dunkel, als wir wieder nach Zürich kamen. Die Stadt empfing uns mit ihrer feierlichen Weihnachtsbeleuchtung.
Von Ende November bis zum Weihnachtstag sangen auf dem Werdmühleplatz jeden Abend verschiedene Chöre und bilden dabei einen riesigen, 'singenden Weihnachtsbaum'.
An einem der folgenden Abende besuchten wir einmal mehr in Waldshut den abendlichen Weihnachtsmarkt und danach ...
... im beinahe 'heimeligen' Kino den Film Conclave, der
erst wenige Wochen zuvor
veröffentlicht worden war.
Er behandelt im eng begrenztem Rahmen einer fiktiven Papstwahl auf sehr authentische Weise
mehrere aktuelle Probleme der heutigen katholischen Kirche. Er vermochte dabei
die Zuschauer zu fesseln, vom Anfang bis zu seinem Ende, das alle offenen Fragen
auf unerwartete Weise beantwortete.
Wieder einmal ein Filmbesuch, der Zeit und Geld wert war!
Für ein traditionelles Weihnachtsfest bietet die kleine Gemeinde Bühl in verschiedener Hinsicht eine gute Umgebung. Sie ist klein, weg von grösseren Zentren, die hauptsächlich Konsum fördern und viel Ablenkung bieten. Diese Erfahrung hatten wir schon im letzten Jahr gemacht (siehe Dezember 2023) und damals festgestellt, dass in der ländlichen Umgebung sich religiöse Traditionen erhalten haben, die andernorts weitgehend durch den Kommerz verdrängt worden sind. Schliesslich ist Bühl ein Wallfahrtsort und das verpflichtet. Für einen Besuch in der Kirche (deren spezielles Geläut wir schon im letzten Monatsbericht dokumentiert haben), nahmen wir uns darum gerne die Zeit.
Bei uns zu Hause ging es deutlich einfacher zu. Trotzdem verschickte Matz handgefertigte Weihnachtskarten und faltete fleissig farbige Sterne als angemessene Dekoration. Hansruedi sorgte während dieser Zeit für gemütliches Essen. Somit bekam auch in unserer Stube der Abend die Behaglichkeit, die er verdient.
Die freie Zeit zuvor und danach nützten wir für Besuche bei der Familie
oder bei Freunden.
Ist doch genau das der tiefere Sinn dieses Festes, bei dem wohl jeder
gerne sein Herz an den unauslöschlichen Erinnerungen aus seiner
eigenen Jugendzeit erwärmt.
Genau das wünschen wir unseren Lesern:
Schöne Festtage und danach ein möglichst unbeschwertes weiteres Lebensjahr!