Februar 2025 

Ähnlich wie der Januar, verlief auch der Monat Februar in Bühl (Klettgau D) - unsere Wahlheimat für diesen Winter - recht beschaulich. Natürlich war das Wetter nicht immer schön, doch es gab gelegentlich unerwartet schöne Augenblicke. Wenn wir etwa von einem kurzen Spaziergang ein stimmungsvolles Bild (Titelbild) nach Hause brachten, war das uns für diesen Tag Belohnung genug.

Ein Ausflug brachte uns zum Stadlerturm, der, ganz in der Nähe unserer Schweizer-Heimat, vor knapp zwei Jahren neu aufgebaut worden war. Der alte Aussichtsturm war offenbar baufällig geworden und wurde darum durch einen neuen ersetzt. Dessen Form erscheint etwas ungewöhnlich. Sie entspricht aber offenbar dem modernen architektonischen Denken, dessen Maxime zu sein scheint, dass schön ist, was auffällt. Seine Form soll an die Lilien erinnern, die das Wappen der Gemeinde zieren. Wir hatten ihn zuvor noch nie aus der Nähe betrachtet.

Auch wenn das Wetter nicht ganz makellos war, die Aussicht war beeindruckend.

 

Wohl nur sehr sorgfältige Leser unseres Tagebuchs mögen sich daran erinnern, dass wir im November 2023 (siehe dort) bereits einen etwas längeren Ausflug in die Ostschweiz unternommen hatten. Unser Hauptziel war damals das Schloss Arenenberg am Bodensee, dem wir nach mehreren Hörbüchern zur Geschichte Napoléons unbedingt einen Besuch hatten abstatten wollen. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Reise hätte damals die Stiftsbibliothek des Klosters St.Gallen sein sollen. Leider war uns bei der Vorbereitung entgangen, dass sie jeweils im November gründlich gereinigt wird und daher während dieser Zeit geschlossen bleibt.
Darum holten wir diesen Besuch in diesem Monat nach.

   

Die Fürst-Abtei St.Gallen geht auf die Gründung eines Benediktinerstifts im Jahr 719 zurück. 1805 wurde das Kloster wieder aufgehoben. Bis 1798 war der Abt von St.Gallen zugleich Reichsfürst des Heiligen Römischen Reiches und hatte Einsitz und Stimmrecht im Reichstag.

Die Bibliothek stammt aus den Anfängen des 8. Jahrhunderts und ist die einzige der grossen Klosterbibliotheken des Frühmittelalters, deren Sammlung bis heute weitestgehend erhalten geblieben ist. Gegen 1000 Handschriften wurden von den Benediktiner-Mönchen während der ersten 200 Jahren geschrieben. Im Jahr 1983 wurden die Bibliothek und der ganze Stiftsbezirk ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.

   

Tägliche Führungen durch langjährige Mitarbeiter erleichtern dem Besucher den Zugang zu einer Welt, die alles andere als alltäglich ist. Das Kloster war durch einen Fürstabt geleitet worden, der - wie der Titel es andeutet - nicht nur Abt des Klosters, sondern in Personalunion auch Fürst der umliegenden Gebiete war. Damit war er auch weltlichen Versuchungen unterworfen und die Bibliothek diente ihm neben dem Aufbewahren und Kopieren von Büchern auch der persönlichen Repräsentation und unterstrich damit seine Bedeutung.

Die ältesten und damit wertvollsten Bücher werden im Gewölbekeller aufbewahrt, damit sie dort, vor Umwelteinflüssen bestmöglichst geschützt, für alle Zeiten fachgerecht aufbewahrt werden können.

 

Der Zufall wollte es, dass im kaum 50 Meter von unserem Hotel entfernten Kino der Film 'Friedas Fall' aufgeführt wurde. Die Première des Films war im letzten Jahr am Zürcher Filmfestival erfolgt und der Kinostart war am 23. Januar 2025.
Er war also noch brandneu!
Und wir mussten ihn unbedingt ansehen!

Der Film erzählt die wahre Geschichte einer Mutter, die 1904 ihr Kind, das anlässlich einer Vergewaltigung gezeugt worden war, in ihrer unerträglichen Not im Wald umgebracht hatte. Sie wurde auf Grund der herrschenden Moral durch bigotte und engstirnige Behörden zunächst zum Tod verurteilt, dann aber zu lebenslanger Isolationshaft ohne jedes Besuchsrecht 'begnadigt'. Das beeindruckende Film-Erlebnis wurde durch die Tatsache verstärkt, dass die Dreharbeiten bis vor wenigen Monaten weitestgehend im Klosterbezirk des Stifts St.Gallen gemacht worden waren. Genau dort, wo wir den Film uns nun zu Gemüte führen konnten. Ganz nebenbei stellte er für Matz ein Lehrstück dar für mehr oder weniger korrekte Kostüme der 'Belle Époque'. Kenntnisse, die sie im letzten Monat (siehe Januar 2025) anlässlich der entsprechenden Themenwoche in Kandersteg weiter ausgebaut hatte.

Gegen Ende des Monats wurde unsere Aufmerksamkeit zunehmend auf die erratischen Äusserungen des amerikanischen Präsidenten gelenkt, der - Schlag auf Schlag - die Welt nach seinem Geschmack zu verändern suchte. Dabei schreckte er in seinem Wahn nicht davor zurück, selbst die jüngste Weltgeschichte neu zu schreiben. Ohne spürbaren Widerspruch zu erfahren, durchbrach er verfassungsrechtliche Schranken und verstiess gegen vom Parlament verabschiedete Gesetze. Für einen strafrechtlich verurteilten Präsidenten im Grunde nicht wirklich erstaunlich. Eine wilde Horde ausgesuchter Loyalisten, die er, Kraft seines Amtes, gezielt an den massgeblichen Stellen postiert hat und einige Milliardäre, die genau wie die russischen Oligarchen sich am System bereichern, helfen ihm dabei. Und er ihnen.

Leider sah sich Europa gefangen im Korsett der Europäischen Union und war nicht in der Lage, dagegen etwas zu unternehmen. Selbst Deutschland, das sich sonst gerne als Grossmacht innerhalb des Kontinents sieht, blieb im Banne der anstehenden Wahlen rettungslos im kleinkarierten Parteiengezänk stecken.
Während all dem sah sich die Ukraine alleingelassen, ohne jede Mitsprache oder Hilfe. Hilfe, die während drei Jahren täglich lautstark versprochen, aber danach nur unzureichend geliefert wurde. Die längst als Kriegsverbrecher angeklagten und sanktionierten Vertreter Russlands wurden an verschiedenen Konferenzen wieder hofiert.
Und Trump gab sich zuletzt, nach einem Telefonat mit Putin, sogar überzeugt, dass es die Ukraine war, die den Krieg angefangen hatte!

 

Damit diese düsteren Aussichten uns nicht ganz die Freude an der Welt verderben, haben wir in den letzten Tagen des Monats zu einem für uns bewährten Rezept gegriffen. Wieder einmal haben wir uns ein Hörbuch ausgesucht und sind erneut bei Stefan Zweig fündig geworden. Schon im letzten Monat hatte er uns mit seinem Buch über Erasmus nicht nur angenehme Stunden beschert, sondern dank seinem fundierten Wissen und gekonnter Sprache spannende Geschichtsstunden in die Stube geliefert.
In seiner Biografie über den Weltumsegler Magellan berichtete er uns nicht nur über den Seefahrer sondern schilderte unterhaltsam das Weltbild der Leute im 15. Jahrhundert. Er deckte Zusammenhänge auf und schuf Einsichten, die Geschichte und Vergnügen miteinander vereinte.

Und mit seinen Berichten über die Seefahrt wuchs bei uns die Ungeduld und wir freuten uns darauf, schon bald wieder zu unserer Mizar zurückzukehren.

 

 

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